Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
sie über die schneebedeckten herumliegenden Trümmer klettern mussten, um in die Haupthalle zu gelangen. Drinnen war es dunkel, aber merklich wärmer, da der scharfe Wind hier nicht hereindrang. Stellan hob den Tragekorb mit den zwei schlafenden Welpen über die Trümmer, stellte ihn auf der anderen Seite ab und ging wieder nach draußen, um eine Fackel aus dem Gepäck zu holen. Mit seinem Feuerstein brachte er sie zum Brennen, dann hielt er sie hoch und leuchtete die Halle aus, als er wieder hereinkam.
Ein Teppich aus abgefallenen Blättern bedeckte den Boden, an den Wänden rankten Kletterpflanzen, und das im Gebäudeinneren erstaunlich unversehrte Dach war von zahllosen Spinnweben überzogen.
Boots blickte sich stirnrunzelnd um. »Ihr habt nicht gescherzt, als Ihr sagtet, hier kommt nie jemand her.«
»Es ist nicht ideal, Boots«, sagte Stellan, »aber da die Wasserwege zugefroren und keine Schiffe verfügbar sind, ist es das Beste, was ich auf die Schnelle auftreiben kann. Ich bin nur ein geduldeter Gast in diesem Land, weißt du. Ich habe nicht die Möglichkeiten, dich zünftig auf die Heimreise zu schicken.«
Sie hob entschuldigend die Schultern. »Es tut mir leid, Euer Gnaden. Ich sollte wohl dankbarer sein. Ist das hier alles, oder gibt es noch einen etwas geschützteren Winkel, wo wir unser Lager aufschlagen können?«
Stellan wies mit der Fackel weiter in die Halle hinein. »Da hinten gehen noch einige Nebenräume ab, die ganz in Ordnung sein müssten. Und irgendwo führt eine Treppe in das untere Stockwerk, wenn ich mich recht erinnere. Aber ich weiß nicht, wie baufällig es da unten ist.«
Boots sah sich nachdenklich um. »Es ist vermutlich sicherer als hier oben. Hier könnte jemand den Rauch unseres Feuers sehen und neugierig werden.«
»Gut gedacht«, bemerkte Stellan. »Aber es wäre schon arges Pech, wenn jemand hier über euch stolpern sollte. Wer hat bei dem Wetter schon Lust, am See spazieren zu gehen?«
»Trotzdem würde ich mich wohler fühlen, wenn wir uns gegen eine zufällige Entdeckung etwas besser absichern könnten als hier oben. Schließlich sind wir nicht so weit weg von der Stadt.«
Stellan fand ihre Besorgnis übertrieben, aber er hatte Verständnis für die Nöte einer jungen Mutter, die ihre Welpen in Sicherheit wissen wollte. Wenn er ihre Ängste nicht beschwichtigte, war Boots womöglich imstande auszubüchsen, um sich auf eigene Faust heimwärts durchzuschlagen, und das würde für sie und ihre Kinder zweifellos tödlich enden.
»Also gut, Boots«, sagte er, drehte sich um und hob die beiden schlafenden Welpen auf. »Dann lass uns weiter nach drinnen gehen und nachsehen, wo wir euch unterbringen.«
Zwei Stunden später saß Stellan wieder auf seinem Pferd, ritt zurück nach Cycrane und probte im Geiste die Geschichte, die er sich zurechtgelegt hatte, um das Verschwinden von Boots und ihren Welpen zu erklären.
In Wahrheit blieb ihm noch reichlich Zeit, sein Lügenmärchen zu polieren. Die einzige Person in ganz Cycrane, die das Schicksal von Boots und ihren Welpen interessierte, war Elyssa, und die war vor ein paar Tagen mit Warlock im Schlepptau aufgebrochen, um Stellans grandiosen Plan zur Verteidigung von Cycrane in die Tat umzusetzen. Er war gar nicht sicher, ob seine Idee wirklich umsetzbar war, aber den Unsterblichen schien sein Vorschlag zu gefallen. Allerdings fühlte es sich für ihn immer noch höchst merkwürdig an, die Herrscher eines fremden Landes in der Frage zu beraten, wie sie sich vor seinem Volk schützen konnten.
Elyssa hatte die Stadt Richtung Süden verlassen, wo sich die größten Pechgruben von Caelum befanden. Wenn es Tryan und den anderen Unsterblichen nicht gelang, eine heiße Quelle oder einen anderen Schlot ins Erdinnere zu finden, den sie mittels der Gezeiten manipulieren konnten, blieb Stellans Plan wohl ihre einzige Chance, sich gegen die Invasion zu wappnen.
Als Tryan begriff, dass die Idee womöglich umsetzbar sein könnte, hatte er sie natürlich als seine eigene ausgegeben. Jedenfalls hofften die Unsterblichen noch immer, dass sie es schaffen könnten, diese Landbrücke aus Eis, die Caelum plötzlich mit Glaeba verband, einfach wegzuschmelzen.
Obwohl Stellan selbst vorgeschlagen hatte, das Eis durch Hitze aus dem Erdinneren abzuschmelzen, indem man Vulkanwärme in den See einleitete, empfand er diese Idee in Wirklichkeit als übertrieben optimistisch. Er hatte die Pechgruben als Alternative angeregt und hielt das für die
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