Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
bessere Option, weil schneller zu verwirklichen. Es gab keine Möglichkeit, Jaxyns Armee vom Einmarsch abzuhalten. Stellan wusste so gut wie nichts über die Beherrschung der Gezeiten, aber er ging davon aus, dass die Kräfte, die nötig wären, um die gefrorenen Großen Seen schmelzen zu lassen, die Macht eines Gezeitenfürsten bei Weitem überstiegen. Es sei denn, die kosmische Flut wäre schon auf dem Höhepunkt und man wollte eine große Katastrophe in Kauf nehmen. Niemand wollte das. Die totale Vernichtung des Königreichs, das die Kaiserin über die fünf Reiche und ihre Sippschaft für sich beanspruchten, was das Letzte, was irgendwer der Beteiligten wollte – sei er nun sterblich oder unsterblich.
Nein, selbst wenn es machbar wäre, das ganze Eis abzuschmelzen war allenfalls der letzte Ausweg, aber nicht die bevorzugte Verteidigungsstrategie.
Dafür sammelten sich jetzt entlang der Küste von Caelum Truppen, die sich darauf vorbereiteten, der zahlenmäßig weit überlegenen glaebischen Streitmacht entgegenzutreten.
Dieser Krieg würde blutig ausgetragen werden, fürchtete Stellan.
Er hatte den Caelanern davon abgeraten, dem Feind auf dem Eis entgegenzuziehen. Je weiter Jaxyns Truppen – er hatte keinen Augenblick geglaubt, dass Mathu hinter dieser Invasion steckte – auf dem Eis marschieren mussten, desto erschöpfter und weniger kampfbereit würden sie sein, wenn sie ankamen.
Was den Einsatz von Gezeitenmagie anging – nun, das Eis musste jetzt zerstört werden und nicht langsam geschmolzen. Jaxyn und seine Armee waren schon auf dem Weg.
Und selbst wenn sie mit seinem Plan B die glaebischen Truppen nicht zurückwerfen konnten, war wenigstens Elyssa lange genug weg gewesen. Er hatte Boots und ihre Welpen in Sicherheit bringen können, wie er es Warlock versprochen hatte.
Es war schon dunkel, als er die Stadt erreichte und zu der Taverne gelangte – die aus für Stellan unerfindlichen Gründen Zum verwundeten Grashüpfer hieß –, wo er sich heute Morgen vorsorglich seiner Wachen entledigt hatte. Er hatte jetzt drei menschliche Leibwächter, was in erster Linie bedeutete, dass sie wesentlich korrupter waren als Feliden. Zum Glück hatte Ricard Li vor ein paar Tagen die Feliden abgezogen, die seit seiner Ankunft in Cycrane zu Stellans Bewachung eingeteilt waren. Der Erste Spion von Caelum bestand darauf, dass sie alle verfugbaren Crasii-Truppen für das bevorstehende Gefecht brauchten und sie nicht zur Bewachung eines Mannes verschwenden konnten, der eindeutig keine Bewachung brauchte. Tryan hatte den Wachwechsel mit einer desinteressierten Handbewegung abgesegnet, seine Aufmerksamkeit ganz von der Nachricht in Anspruch genommen, dass die glaebischen Truppen jetzt tatsächlich vorrückten. Die beiden Männer befanden sich noch immer im Schankraum, wo Stellan sie am Morgen zurückgelassen hatte. Inzwischen waren sie allerdings wesentlich betrunkener.
»Euer Gnan!« Der eine Wachmann, der noch halbwegs bei Sinnen war, hatte den Fürsten hereinkommen sehen. »Ihr scheid schurück!«
Stellan fädelte sich zwischen den Tischen des verräucherten Schankraums hindurch bis zu den sturzbetrunkenen Kerlen. Der Raum mit der niedrigen Decke war heiß, stickig und überfüllt mit Männern, die über den bevorstehenden Krieg debattierten. Von den drei zu seinem Schutz und seiner Überwachung abgestellten Männern hingen zwei schlafend oder bewusstlos in den Seilen, und der dritte schien auch nicht weit von ihrem Zustand entfernt. Stellan dachte sorgenvoll an ihre Rechnung, da er eingewilligt hatte, für sie zu zahlen.
»Wir sind im Schnee stecken geblieben. Ich habe die Canide und ihre Welpen aus den Augen verloren.«
Der Mann zuckte die Achseln. »Wen schert schon ’ne Töle und ihr Wurf? Wolltn Euer Gnaden nich was trinken?«
»Danke nein. Wenn Ihr Eure Gefährten wecken könnt, möchte ich gern zum Palast zurück. Der Verlust von Tabitha Belle und ihren Welpen hat mich doch ein wenig mitgenommen, fürchte ich.«
Der Leibwächter war zu betrunken, um auf die zarten Gefühle seines Schutzbefohlenen einzugehen, aber er riss sich zusammen und stieß seinem Nebenmann, dessen Kopf in einer Bierlache auf dem Tisch lag, einen Ellbogen in die Seite. Der andere Leibwächter hing gegenüber in seinem Stuhl und schnarchte. »He, aufwachen! Seine Gnaden sind wieder da. Wir müssen los.«
Der Mann murmelte etwas Unzusammenhängendes, schien aber nicht geneigt, sich zu bewegen.
»Ich begleiche die Rechnung und
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