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Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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dass ich es nicht im Ernst meinte, dass ich niemals in der
Lage sein würde, die Kameraden im Stich zu lassen. Und
Dagmar brächte es gleich gar nicht fertig.
„Dagmar!“
Ich schritt gesenkten Hauptes. „Sie macht es sich nicht leicht,
die Dagmar!“
In Gedanken lächelte ich. „Wie habe ich innerlich geflucht, als
ich den Dienst antrat.“
Jeder, der sich nicht anders in einer ehrenamtlichen staatlichen
Arbeit engagiert hatte, wusste, dass er eingezogen wird, etliche
aber hofften, dass es sie verschone. Und wie bei so vielem: Je
näher der Termin rückte, desto mehr kam es einem als
unausführbar, als eine Zumutung vor. Und so war es offenbar
mehreren in meiner Jahrgangsgruppe im Schutzkorps ergangen.
Ich erinnerte mich der mehr oder weniger kurzweiligen
Lehrveranstaltungen, je nach Fähigkeit der Dozenten. Niemand,
auch der Desinteressierteste nicht, zweifelte an der Notwendigkeit
des Korps. Niemand hatte etwas dagegen, dass jene, die eben
nicht, aus was für Gründen auch immer, in die territoriale
staatliche Arbeit einbezogen waren, zum Schutzkorps, als
Bürgerpflicht sozusagen, gezogen wurden.
Nun, ich schätzte mich durchaus real ein. Ich wäre auf einige
Arten von Einsätzen nicht scharf gewesen. Ja, wenn es gegolten
hätte, den Wildtierbestand zu hegen und kurz zu halten, dann
schon, wenngleich das Töten von Rehen und dergleichen sicher
auch nicht jedermanns Sache ist; und ich hätte selbst nicht zu
sagen vermocht, inwiefern und ob es mich berührt hätte. Einen
winzigen Augenblick kam mir das Engelchen in der grünen
Schale in den Sinn, das ist mehr als ein Reh…
Ich zwang mich wieder in meinen Trott und meine Gedanken:
Unwetterwacht wäre auch noch gegangen, wenngleich der Dienst
dort über weite Strecken sicher langweilig sein kann, dennoch,
viel Technik haben die und, wenn’s ernst wird, auch
Erfolgserlebnisse. Einem Sprengtrupp anzugehören – auch nicht
schlecht. Erstens gibt es da stets viel zu tun, diese Leute sind
ständig ausgebucht, und zweitens ist dort in hohem Maße
Können gefragt.
Einen Rochus aber hätte ich auf die so genannte Bürgerarbeit
gehabt. Sich mit Normbrüchigen auseinander zu setzen, die in
ihrem Tun andere in Mitleidenschaft ziehen, ha! Das bedeutet
doch in jedem Fall, in die individuelle Sphäre zu dringen. Das
geht mir gegen den Strich! Natürlich ist zu akzeptieren, dass auch
das gemacht werden muss. „Nun, welche Haltung konnte da
meinesgleichen nur einnehmen? Man wird über die Runden
kommen wie viele vorher und nachher.
Nicht so Dagmar!“
Ich erinnerte mich deutlich jenes Abends, als wir den
Leistungsvergleich mit Nachbargruppen feierten. Immerhin hatte
die meine den dritten Platz von fünfzehn beteiligten erreicht, und
da gab es zu feiern.
Und – sozusagen auf den ersten Blick – die kleine, ein wenig
mollige Dunkelhaarige mit dem runden Gesicht und den
lebendigen Augen hatte mir sofort gefallen. Sie schien voll
gutmütigen Temperaments, schien zu wissen, was sie wollte, und
ein gewisser Schalk spielte in ihren Augen.
Ja, da stellte sich schnell Kontakt ein, da gab es Stoff zum
Unterhalten – nicht nur zum Reden –, der schier unerschöpflich
schien, gleiche Interessen, eine gleiche Frequenz sozusagen. Ihre
stirnrunzelige Reaktion auf die schnoddrige
Bemerkung
meinerseits über den Dienst in der Truppe war zu verstehen: Eine
Freiwillige! Solche stehen bei unseresgleichen im Allgemeinen
in keinem besonderen Ansehen.
Freiwillig etwas zu tun, was man selbst nur gezwungenermaßen
macht, das bedeutet, dass jener in Kategorien zu denken vermag,
die einem selbst verschlossen bleiben, und dessen schämt man
sich… Solche Leute tun nicht, als ob sie von etwas überzeugt
seien, sie sind es…
Sollte man da nicht die Finger von so etwas lassen? Ich und
diese so pflichtversessene Dagmar? Wenn solche Gedanken nur
nicht der eigenen Oberflächlichkeit entsprangen. Und ich habe
gewusst, damals gleich, würde sie die Sympathie, die ich für sie
empfand, erwidern, ich würde mich ernsthaft um sie bemühen.
Und damit pries ich den Tag, an dem ich zum Schutzkorps
gezogen wurde! Verändert hatte sich nicht viel, und
dazugebracht, meine innere Haltung zu ändern, hatte mich
Dagmar auch nicht. „Weil ich mich gehütet hätte, ihr gegenüber
meine prinzipielle Meinung, nämlich dass es im Grunde
verlorene Zeit sei, zu äußern, sodass sie zur Kritik erst gar nicht
veranlasst wurde. Heuchler! Und Dagmar? Im Einzelnen konnte
sie sogar deftig über

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