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Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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diesen und jenen Ausbilder schimpfen, aber
niemals hätte sie sich drücken wollen… Doch pragmatisch
gedacht: „Wäre ich nicht im Korps, hätte jenen
Leistungsvergleich nicht mitgemacht, nie hätte ich Dagmar
kennen gelernt“, und mit ihr hatte die schönste Zeit begonnen.
O, und das trug über Durststrecken, über Langeweile ebenso wie
über Übungsschinderei.
Ein Treffen für den Abend vereinbart, und der Tag war so gut
wie gelaufen, wie immer er auch laufen mochte.
Und wie war es mit dem tierischen Ernst im Pflichtbewusstsein
der Dagmar? „Wie lau ich mich verhalten hatte, wenn es darum
ging, Tricks anzuwenden, die Ausgehzeit zu verlängern oder den
Tagesurlaub oder noch ein Stündchen allein sein zu können…“
Aber siehe, bald begann sie selbst nach solchen Auswegen zu
knobeln. Was für ein Spaß, ernsthaft und außerordentlich
erfindungsreich ein „Treffenprogramm“ auszuarbeiten und dabei
den beiderseitigen Dienstplan und entsprechende Obliegenheiten
einzuschließen. War sie donnerstags zur bestimmten Zeit zur
Postbearbeitung kommandiert, konnte man eine Gelegenheit
ergreifen, sich freiwillig zu einer Aufgabe zu drängeln oder mit
einem Kameraden zu tauschen. Und, wenn man sich mit dem
Dienstlichen sehr beeilte, konnte man dann noch ein
gemeinsames halbes Stündchen anhängen. Für den Eifer gab’s
sogar manchmal ein Lob von den Vorgesetzten. Und darin sah
Dag mitnichten einen Verstoß gegen ihre Prinzipien. Keiner
vernachlässigte um einen Deut seine Aufgaben…
„Wie sie aber doch gezittert hat, als sie das erste Mal durch
mein Fenster stieg… Ich wäre allerdings auch enttäuscht
gewesen, nach der aufwendigen Entfernung
der
beiden
Zimmerkameraden, wenn es nicht geklappt hätte. Wären wir bei
diesem oder den nächsten Malen erwischt worden, einen von uns
beiden hätten sie bestimmt versetzt. Das hat sie riskiert. Ich
sowieso! ‘Braucht eine gute Sache Mut, ich bin dabei!’ Ihr
Wahlspruch…“
Ich stolperte, sah auf. Nur ungern wollte ich die
Erinnerungsbilder entwischen lassen.
    Wir gingen in loser Formation, beiderseits der Straße lichter
Wald, stumm, sorgenvoll ein jeder von uns. Was würden die
nächsten Stunden bringen, wo lag nun noch der Sinn des
Unternehmens? Voller Zuversicht wollten wir mit der massierten
Technik dem Gegner die Stirn bieten, nachdem er sich
verwundbar gezeigt hatte. „Hat Hugh nicht drei von diesen
Halbkugeln abgeknallt, wer weiß wie viele schon vordem? Und
ich habe den Diskus heruntergeholt. Das bescherte uns sogar
den Engel. Hatten sie bislang nur Spaß gemacht? Kommt jetzt
die Kralle, weil die Maus zurückbiss?“
Ich dachte mit einemmal an die Mühe, die wir mit diesem
    Panzer T34 hatten, an das Erfolgserlebnis, das sich schließlich
nach all dem Hin und Her einstellte. Dann wurden Leute daran
ausgebildet, haben geschwitzt und geflucht. Schließlich wurde
er hierhertransportiert und in Stellung gebracht – ein Denkmal,
das zum gleichen Ruhm, für den es errichtet wurde, noch einmal
Taten vollbringen sollte. Die Menschen setzten Hoffnung
darauf… „Es konnte jener gewesen sein, an dem wir vorhin –
vorhin? War es vor einer Ewigkeit oder gerade eben?
    Wie stand er dann da, noch unterhalb des Turms
aufgeschnitten, durch detonierende Munition das Oberteil
hinweggeschleudert, ausgefranst der verstümmelte Rumpf wie
eine geöffnete Sardinenbüchse
– und darinnen zwei
schwarzgekohlte, geschrumpfte Kameraden… Hätten wir ihn
doch lieber auf seinem Sockel gelassen!“
Wir zogen ein in Inari, still, gesenkten Hauptes. Die schlurfenden
Schritte störten die Ruhe.
    Man hatte die Einwohner leichtfertigerweise, hoffend
auf
einen Sieg oder wenigstens Teilerfolg, auf ein Aufhalten des
Gegners vielleicht, nicht evakuiert. Und nun hatten die
Vorkommandos unvermeidlich Panik verursacht. Schreiend,
bedrängend, weinend, fluchend und stürzend versuchten die
Menschen Habe aus den Häusern zu zerren und ihre Autos
damit zu beladen. Da dies alle gleichzeitig taten, blieb das Chaos
nicht aus. Nur wenige Beherzte schafften vor ihren Häusern mit
einiger Gewalt und scharfen Kommandos halbwegs organisierte
Flucht. Und die Allerwenigsten taten das Gescheiteste: Sie ließen
alles stehen und liegen und verließen in ihren Autos eilig die
Stadt.
    Die Truppe war noch nicht ins Weichbild vorgestoßen, als der
Befehl kam, sich in der Uferzone des Vaskojoki – einem breiten
Grünstreifen – jenseits der Brücke zu lagern und nicht das
Gewirr der

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