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Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Autoschlangen und wütenden
Menschen
zu
vergrößern. Und das war gut so, denn manche sahen in den
geschlagenen Kriegern, in der Tatsache, dass die sich hatten
schlagen lassen, die Wurzel des Übels, und sie begannen, die
Soldaten zu beschimpfen, vereinzelte wurden tätlich.
    Wir lagerten wie Vergessene – zwei Stunden, drei…? Niemand
kümmerte sich um den müden, am Ufer unübersehbaren Haufen
von Kriegern.
    Gleich nach der Ankunft hatte man die Hundertschaftsführer zu
einer Beratung zusammengerufen, aus der – außer der Order
abzuwarten – nichts weiter herauskam.
    Einmal tauchte ein Schwarm kleiner Flugzeuge auf, wie sie in
der Landwirtschaft eingesetzt wurden, überflog im Bogen den
Ort, verschwand. Aufklärer vermutlich.
    Wieder etliches später, die Abenddämmerung mochte nicht
mehr weit sein, ging ich unmittelbar am Fluss entlang, mir die
Beine zu vertreten.
    Der Fluss uferte hier aus, hatte einen Sandstreifen wie einen
kleinen Strand angespült.
Ich ließ flache Steine über das träge dahinwalzende Wasser
hopsen. Hinter mir befand sich das in aller Eile errichtete
Stabszelt. Vor wenigen Minuten hatte man die Offiziere dort
erneut zusammengerufen.
Ich betrachtete mich im Wasser und bemerkte trotz der Wellen,
wie schmutzig mein Gesicht war. Ich wusch mich, fühlte das
Angenehme, zog mich beinahe mechanisch aus und stieg ins
Wasser.
Es dauerte nicht lange, und zunächst einige, dann viele, auch
Hugh, folgten meinem Beispiel. Das war kein ausgelassenes
Baden, wie es den meisten ihres jugendlichen Alters wegen noch
zugekommen wäre, das war Reinigung, entbehrte freier,
köstlicher Bewegung. Jeder genoss still für sich. Wir sprachen
auch hier kaum ein Wort miteinander.
Wir sahen zwar den Kradfahrer an das Zelt heranbrausen,
verschmutzt, um die Augen wie hell maskiert, weil die Brille den
Staub abgehalten hatte, aber wir dachten uns nichts dabei.
Geschäftigkeit herrschte stets, und stets war sie verpufft.
Ich warf mich auf den Rücken und schwamm mit weit
ausholenden Zügen, einer plötzlichen Lust folgend, auf das etwa
dreißig Meter entfernte andere Ufer zu. Vier, fünf Gefährten
schlossen sich mir an.
Das Wasser strömte kraftvoller, als wir angenommen hatten.
Wir wurden etliche Meter flussabwärts geschwemmt, beinahe
in die Biege hinein, außerhalb unseres jenseitigen Lagerbereichs.
Und wir kamen ziemlich erschöpft am Ufer an. Wir grätschten
die Gliedmaßen, blieben wohlig ruhend im flachen Uferwasser
liegen.
Einen Augenblick vergaß ich die schrecklichen Bilder, den
Marsch, den öden Ort. „Dagmar müsste hier sein!“ Ich fühlte mit
der linken Hand einen Stein, und einen Augenblick stellte ich mir
vor, es sei ihre Hand. Zärtlich strich ich darüber hin. „Ich muss sie
sehen! Ich muss herausbekommen, an welchem Abschnitt sie ist,
es muss möglich sein, dass wir uns nahe bleiben.“
Mich überfiel so etwas wie Verzweiflung. Wie würde es
weitergehen? Wenn sie uns noch lange vor sich her treiben,
vielleicht mit immer schrecklicheren Waffen, muss es jeden
einmal erwischen. „Ich habe bisher Glück gehabt, weiter nichts.“
Ich dachte wehmütig an die Idee mit dem faradayschen Käfig.
Was hätte dieser ausgerichtet?
Über kurz oder lang werden die Menschen aufgeben, werden
passiv versuchen müssen; die Verluste so klein wie möglich zu
halten, rechtzeitig evakuieren, umsiedeln, denen aus dem Weg
gehen. Vielleicht haben die Fremden eines Tages genug, bleiben
stehen, richten sich ein, vielleicht sogar kann man zu
irgendeinem Zeitpunkt neben ihnen leben, falls sie die Erde
nicht wieder verlassen wollen.
Hatte nicht die japanische Regierung wenige Jahre nach dem
Schrecklichsten, das je Menschen widerfuhr, enge Beziehung zu
denen, die den Befehl zum Abwurf der Bombe auf Hiroshima
und Nagasaki gaben? „Nein, Igor, sie hatten gleiche
Interessen… Mit den Engeln werden die Menschen niemals
gleiche Interessen haben können, und wenn sie gleich aus einer
anderen Galaxis kämen – vielleicht tun sie es sogar…“
Ich empfand das Müßige meiner Spekulation. „Was soll’s“,
dachte ich. „Das Einzige, was jetzt zählt: Ich muss Dagmar
finden und dafür sorgen, dass wir beieinander bleiben.“
Ich befand mich noch zwischen dem wohligen Gefühl des
Ausruhens und der Aussicht wieder zurückschwimmen zu
müssen. Wir hatten uns bei niemandem abgemeldet. Ich starrte in
den Himmel. Hoch oben segelten Schwalben. „Da soll es
schönes Wetter…“
Ich konnte den Gedanken nicht

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