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Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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beispielsweise, zum Befehlen oder Programmieren von
Robotern. Stattdessen sagte ich, und tief im Innern glaubte ich,
klammerte ich mich daran: „Ich meine auch, dass alles gut
wird.“
„Darauf gebe ich einen aus! Ebenso auf die Freude, einen
getroffen zu haben von dort – nimmst du einen Brief von mir
mit?“ Marien schlug forsch den Weg zu einem kleinen Flachbau
ein, der aus Ziersträuchern herauslugte.
„Hast du Bons?“, fragte Irene erstaunt.
„Klar. Du siehst, man weiß nie, wie schnell ein Fest ins Haus
schneit. Und Weinbrand gibt’s eben nicht ohne Bon.“
Es wurde ein vergnüglicher Abend. Vom Kriegsschauplatz
sprachen wir kaum mehr, wenn, dann in nichts sagenden,
oberflächlichen Floskeln, wobei ich mich hütete, von mir aus
ein solches Gespräch zu beginnen. Als sich am frühen Abend
Marien verabschiedete, wurde dieses Thema überhaupt nicht
mehr berührt.
Irene und ich verbrachten den Abend in einer kleinen,
überfüllten Bar, sprangen gemeinsam mit unseren
Tischbekannten, einem jungen Paar aus dem Hotelbetrieb, das
mit der Militärbelegung überhaupt nicht zufrieden war, in die
Ostsee. Und ich verabredete mich mit Irene – falls mir der
General keinen Strich durch die Rechnung machte – für den
nächsten Tag zu einem Ausflug zu der Insel Hiddensee, einem
Naturparadies, wie Irene meinte.
Am Tisch in der Bar brachte ich das Gespräch doch noch
einmal auf das, was ich für das gegenwärtig wichtigste Problem
der Menschheit hielt Ich knüpfte an das Maulen der beiden
Hotelangestellten an, die jetzt für das Wohlergehen der Offiziere
und anderen Militärangehörigen im Neptun sorgten und denen
die sonstige Atmosphäre internationaler Gäste und
entsprechender Spektakel fehlten. Ich hörte, wie ein normaler
Mensch wie Irene, sie arbeitete als Zuschneiderin in einem
Cottbuser Textilbetrieb, die Rolle des Hinterlandes sah.
Ich sann noch lange, nachdem wir uns verabschiedet hatten,
über das, was ich erfahren hatte, nach. Es schien, als hätte der
Einfall der Fremdlinge, nachdem sich die Überraschungswelle
gelegt hatte, nichts Wesentliches ausgelöst. Freilich; was
niemandem entging, das Korps wurde verstärkt, es wurden mehr
junge Leute gezogen. In manchen Betrieben stellte man
Produktionszweige auf Rüstungsgüter um, man fertigte Waffen
und Versorgungsgüter. Im Alltag aber spürte man von alledem
nichts, wenn man von gewissen Ärgernissen, wie dem
Umfunktionieren des Hotels, absah. Mich überkamen Zweifel:
„Sehen wir das falsch da draußen, angekränkelt von der
ständigen Gefahr? Ist wirklich davon auszugehen, dass die
gesamte Menschheit bedroht ist?“ Ich neigte dazu, jetzt aus
größerem Abstand, den Brandherd dort mit einer brennenden
Zigarettenkippe zu vergleichen, bei der es noch immer gelang,
sie auszutreten. Aber vielleicht hätte man den Menschen besser
von vornherein reinen Wein über den so ungeheuer aggressiven
Charakter der Eindringlinge einschenken sollen? Nur wer weiß
heute schon, welches der reine Wein ist? Seit acht Wochen
trieben sie’s. Die Menschen waren noch weit davon entfernt, die
Entwicklung vorauszusehen. „Aber“, so dachte ich, „es wäre in
jedem Fall nützlich, wüsste jeder Bürger im Detail, was sich dort
tat. Man müsste Filme zeigen über all das Grausame,
verdeutlichen, wie sie uns abschlachten… Würde man damit
jedoch tatsächlich die Bereitschaft wecken, sich ihnen
entgegenzustellen? Würden nicht etliche – so wie ich jetzt“, ich
dachte es mit einem kleinen Schreck, „von vornherein
versuchen, die vordere Linie zu meiden? Welche Mittel haben
die Regierungen schon, jemanden dorthin zu verpflichten, zu
zwingen? Nirgends bestehen dazu staatsrechtliche
Voraussetzungen. Sie müssten erst geschaffen werden. Früher
gab es eine Wehrpflicht. Inwieweit wären die Menschen noch
bereit, so weit Zurückliegendes wieder einzuführen und vor
allem – zu akzeptieren? Und musste es unbedingt eine vordere
Linie geben? Bewirkt hatte sie bislang nichts.“ Ich erahnte, je
tiefer ich mich gedanklich in dieses Netz verstrickte, die
Schwierigkeiten, mit denen sich die Verantwortlichen der
Menschen, die Vertreter der Vereinten Nationen,
herumzuschlagen hatten. Mir, dem Kämpfer, hatte ein Gespräch
mit einigen Einwohnern Rostocks genügt, um von meinem
hohen Ross zu steigen. Auch war mir bewusst, dass ich nur einen
winzigen Teil dessen zu hören bekommen hatte, was es an
Kompliziertem tatsächlich zu bewältigen galt. Und ich war bereit,
die

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