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Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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ständigen Wachen immer dichter.
    Svens Stimme klang munter wie immer, aber ich konnte mir
sehr gut vorstellen, wie schrecklich sein Posten sein musste, der
im Grunde nur Warten bedeutete. Und irgendwo klopfte mir da
das Gewissen, ob ich diese Wartezeit nicht verkürzen konnte.
Einige Mal machte ich mir auch Vorwürfe, dass ich mich nicht
genügend um Dagmars Verbleib kümmerte. Aber hier hielt ich
mir entgegen, dass ich wirklich außerstande war, etwas zu
unternehmen. Über Punkti – so hatten wir meinen getüpfelten
Kalkmitbesorger getauft – hatte ich versucht, wenigstens die
Anzahl und Standorte weiterer Stützpunkte zu erfahren. Er hatte
in der üblichen Weise auf meine Frage nicht geantwortet.
    Es war schon so: Ich hatte mich in die neue Tätigkeit verbissen
und berauschte mich am Erfolg. Als sich der
grüne
Landwirtschaftsexperte eines Tages lobend aussprach, wurde
ich richtiggehend stolz. Was Punkti damals über den Zeitpunkt
bemerkte, zu dem sie uns nicht mehr brauchen würden, hatte ich
bewusst aus dem Gedächtnis gestrichen, das heißt, ich konnte es
einfach nicht glauben, nachdem diese Wesen so sichtbar von uns
Hilfe bekamen.
    Ein Ereignis brachte mich in die Wirklichkeit zurück: Zwei
Tage bevor die Engelchen in die von uns auf Normalgröße
herangezüchteten Kakteen eingebracht werden
sollten – wir
durften an der Zeremonie teilnehmen –, wurden wir nachts
durch einen Tumult aufgeschreckt.
    Eine heftige Schießerei, gemischt mit Blitzgeknatter und
Detonationen, erfüllte die Lichtung, dazwischen Schreie, scharfe
Kommandos, Gerenne und Gesplittere.
Als wir ins Freie stürzen wollten, zeigte sich, dass sich unsere
Tür nicht öffnen ließ.
    Was wir am Morgen dann vorfanden, unterstützt von der
knappen Schilderung des grünen Experten, ließ nur den Schluss
zu, dass Partisanen die wohlbewachte Basis der
Fremdlinge
angegriffen und einen Teil von ihr beträchtlich zerstört hatten,
darunter die Hälfte des Gewächshauses, in dem unsere für die
Impfung vorbereiteten Kakteen heranwuchsen.
    Ich lief wie ein Kind durch die Reihen, versuchte da eine der
Kugeln aufzurichten, dort eine entwurzelte festzudrücken. Es
war ein Jammer! Hunderte lagen beschädigt, zertrümmert oder
gequetscht unter den herabgestürzten Dachsparren. Ich hätte in
diesem Augenblick heulen können, und ich glaube, Nemo und
Fred erging es ähnlich.
    Dann rückte die Baubrigade an. Man hatte sie offensichtlich
zum schnellen Wiederaufbau des Gewächshauses – als, das schien
nunmehr klar, Allerwichtigstem
– vom Bau am Waldrand
abgezogen.
    Ich rannte noch immer zwischen den Pflanzen umher, glättete
Boden, drückte Wurzelballen fest. Als ich dabei einmal in die
Nähe des Brigadiers kam, spuckte dieser voller Verachtung vor
mir aus und stieß zwischen den Zähnen hervor: „Verdammter
Verräter!“

Ich sah mich heftig erschrocken um, doch er meinte ohne
Zweifel mich. Er aber hatte sich seiner Arbeit zugewandt und
würdigte mich keines weiteren Blicks.
    Diese Bezichtigung aber war mir so in die Glieder gefahren,
dass ich den Rest des Tages in Gedanken verbrachte, mich vor
mir selber zu rechtfertigen versuchte, schließlich jedoch
feststellen musste, dass der Mann aus der Sicht eines
Außenstehenden so Unrecht nicht hatte.
    Gewiss, ich hatte mich zu dieser Tätigkeit gedrängt, um an die
Wesen heranzukommen. Das war mir zum Teil gelungen,
vielleicht wie sonst keinem der sicherlich zahlreichen
Kundschafter. Aber dann? Hätte ich nicht besser sinnen sollen,
wie diese verdammten Kakteen noch kleiner oder nach einer
gewissen Zeit welk werden konnten? Ich half, eine Armee gegen
die Menschen aufzustellen, eine, die aus Soldaten entstand, die in
nichts den ersten Ankömmlingen nachstehen würden. Hatte ich
mir wirklich alle Mühe gegeben, noch weiter hinter das
Geheimnis der Unbemäntelten zu kommen, der eigentlichen
Drahtzieher? Schließlich war zu vermuten, schaltete man sie aus,
wäre viel gewonnen. Ich wusste nicht einmal, wie jene
nachgezüchtet wurden. Und etwas ganz Schlimmes: Bis zum
Augenblick hatte ich nicht um die Existenz von Partisanen
gewusst, von Menschen also, die, anders als ich, losgelöst von
jeder Basis, unter Einsatz ihres Lebens gegen den Gegner
vorgingen, ja selbst einen Angriff auf dessen Hauptbasis nicht
scheuten. Und nach dem Eindruck, den ich bisher hatte, konnte
ich nicht annehmen, dass diese Partisanen mit den regulären
Einheiten jenseits der Front im Kontakt stünden. Ich hätte

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