Falsches Spiel: Roman (German Edition)
bin. Wegen meiner Unbesonnenheit wäre ich fast aufgeflogen. Eine Weile schaue ich auf das Handy. Ich darf es nicht ausschalten, weil es sicher durch eine PIN -Nummer geschützt ist. Ab sofort muss ich gut aufpassen, was ich tue und in wessen Nähe ich mich aufhalte.
Jetzt darf ich nicht länger zögern. Es ist Zeit, mich bemerkbar zu machen. Oder vielmehr ist es Zeit, dass Sandro Di Risio sich bemerkbar macht, von dem Ort aus, an den er sich zurückgezogen hat, wo auch immer das sein mag.
Im Telefonverzeichnis suche ich die Nummer von Gentile, dem Co-Trainer. Er ist ein treuer Mitarbeiter des Mister, und ich weiß, dass sich die beiden sehr schätzen. Er steckt bestimmt nicht in der Sache mit drin, schon weil er nicht wichtig genug ist und keinen Einfluss auf das Spielergebnis hat. Nein, nur die Männer auf dem Spielfeld können einen Unterschied machen. Unter denen muss ich suchen.
Abgesehen von denen, die ich bereits gefunden habe.
Ich frage mich, wie sich Roberto in diesem Moment fühlt. Was für Gedanken gehen ihm durch den Kopf? Wird er für diesen Betrug genug Geld bekommen, um seine Gewissensbisse zum Schweigen zu bringen? Er hat an meiner Seite gelebt und die Konsequenzen meiner Entscheidungen am eigenen Leib erfahren. Er weiß, dass die Reue unweigerlich kommt.
Ich versuche, diese Gedanken zu vertreiben.
Jeder ist für seine Handlungen und für die Konsequenzen, die daraus erwachsen, selbst verantwortlich. Die Geschichte der Welt ist voll davon. Es ist vielmehr die Geschichte der Welt. Was Roberto betrifft, ist es allerdings ein schwacher Trost, wenn er in dieselbe Statistik eingeht wie ich.
Ich drücke die entsprechende Taste, um an die ausgewählte Nummer eine SMS zu schicken. Ein leeres Feld erscheint und ein blinkender Balken. Er scheint meinen Herzschlag anzuzeigen.
Langsam schreibe ich die SMS und versuche mir dabei vorzustellen, wie Di Risio sie formulieren würde. Sicher ohne diese nervigen Abkürzungen in der Art von 4U oder U2 oder xx, wie junge Leute und Nerds sie benutzen. Ich habe mal eine SMS von ihm bekommen und weiß, dass er da nicht mitmacht.
Ich schaffe es nicht, auf dem Spielfeld zu sein. Zu viel Stress. Das Spiel werde ich mir natürlich trotzdem ansehen und dir per Handy Anweisungen geben. Wir müssen die Aufstellung ändern. Ich erklär alles später. Sandro.
Ich lese den Text noch einmal durch und drücke dann auf Senden. Allmählich fühle ich mich wie in einem Stück von Shakespeare oder einem Slapstick von Larry Semon. In jedem Fall wie jemand, der nicht ich bin.
Ich verlasse die Toilette und kehre durch den immer noch leeren Duschraum in den Flur zurück. Der Wasserhahn tropft nicht mehr.
Ihm ist wohl das Wasser oder die Geduld ausgegangen.
Offenbar hat sich herumgesprochen, dass der Mister unauffindbar ist, denn es herrscht große Aufregung. Die Spannung, die in der Luft hängt, könnte man mit dem Messer schneiden, aber man bräuchte ein scharfes dafür. Funktionäre, Spieler, Mitarbeiter, alle schauen in der Gegend herum und wissen nicht, was sie sagen oder tun sollen.
Aus dem Hintergrund zu meiner Rechten erklingt Gentiles Stimme.
»Herr Präsident!«
Ich drehe mich um und sehe, dass er mit großen Schritten auf Martinazzoli und sein Grüppchen zueilt.
Den rechten Arm hat er ausgestreckt, in der Hand hält er ein Handy.
Zwölf
Die Wolke über dem Spielfeld ist jetzt nicht mehr allein.
Andere Wolken sind hinzugekommen und treiben auf den Tribünen und Rängen ihr munteres Spiel mit Licht und Schatten. Je nach Laune des Windes changiert die Farbe des Rasens zwischen Hell- und Dunkelgrün. Irren ist normal und menschlich. Wenn die Wettervorhersage einen heiteren Tag verspricht und plötzlich Wolken am Himmel hängen, dann bleibt einem nicht viel übrig, als eher der Wetterbeschreibung zu vertrauen.
Die Jungs sind auf dem Spielfeld und haben die Aufwärmphase praktisch abgeschlossen. Als sie herauskamen, haben sich die Zuschauer auf den Rängen erhoben und applaudiert. Die auf den Tribünen waren etwas zurückhaltender. Aus dem Block der Fans der gegnerischen Mannschaft, die gekommen sind, um die Anderen zu unterstützen, waren einige nachvollziehbare Pfiffe zu hören, aber insgesamt ist die Atmosphäre heiter. Beide Mannschaften pflegen ihre kleinen Rituale, Sprints, Pässe, kurze Ballwechsel und ähnliche Spielchen. Die Torwarte wechseln sich dabei ab, mit dem Torwarttrainer der jeweiligen Mannschaft die Übungen für ihre spezielle Rolle zu
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