Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
Sonja freute sich jeden Tag an ihm. Weil sein Vater in letzter Zeit nur selten zu Hause gewesen war, hatte er begonnen, dessen Rolle als Beschützer zu übernehmen. Er sorgte sich rührend um seine Mutter und achtete darauf, dass sie sich nicht übernahm. Wenn sie einen Wäschekorb trug, legte er vorwurfsvoll seine Stirn in Falten und sah sie streng an. » Mama, leg das bitte sofort hin! Du hast einen Sohn, der dir das abnehmen kann.« Und dann drängte er sie so lange, bis sie ihm den Korb überließ, obwohl er ihn kaum schleppen konnte. Sie lächelte versonnen und strich sich über den Bauch. Wie es wohl mit dem neuen Baby sein würde? Raffael wünschte sich so sehr ein Mädchen. Bald würden sie eine richtige Familie sein. Der einzige Wermutstropfen lag darin, dass sie noch immer nicht verheiratet waren. Raffael hatte versucht, eine unauffällige Heirat zu arrangieren, aber er hatte einsehen müssen, dass dies in Südwestafrika nicht mehr ohne Weiteres möglich war. Natürlich hätte er klagen können, denn es lagen noch keine ordentlichen Gesetze dazu vor. Aber damit wäre automatisch in Windhuks Gesellschaft publik geworden, dass er und Sonja noch nicht verheiratet waren. Nun blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu warten, bis das Baby groß genug war, um nach Deutschland zu reisen und dort zu heiraten. Erst dann würde der dunkle Schatten über ihrem Glück verschwunden sein. Sonja dachte an Raffael, der beruflich sehr ehrgeizig war und dementsprechend auch viel Erfolg hatte. Er gab sich unendlich viel Mühe, ihnen ein anständiges Leben zu bieten. Leider wurde er von seiner Arbeit viel zu sehr in Anspruch genommen. Wenn er spät abends nach Hause kam, war Benjamin oft schon im Bett und schlief. In der Regel war er dann müde, abgespannt und hatte kaum Muße, sich länger mit ihr zu unterhalten. Immerhin versuchte er an den Sonntagen ganz für seine Familie da zu sein. Sonja hatte mittlerweile gelernt, das Beste daraus zu machen. Sie liebte ihren Mann und wusste, dass er das alles nur tat, um ihnen ein schönes Leben zu bieten. Ebenso wusste sie, dass ihm die Fälle, mit denen er in Dr. Schmiedels Kanzlei betraut wurde, nicht immer behagten, denn oft war er gezwungen, die Partei derer zu ergreifen, die er lieber als Gegner gehabt hätte. Auf der anderen Seite hatte er einsehen müssen, dass er im Augenblick nur als Anwalt für die wohlhabenden Bürger den Unterhalt für seine Familie sichern konnte. Sonja unterstützte ihn, so gut es ging. Sie versuchte sogar, dem dunklen Haus etwas Wohnliches abzugewinnen. Falls Raffael tatsächlich in naher Zukunft ein gleichberechtigter Partner von Dr. Schmiedel werden würde, würden sie in der Kanzlei einen weiteren Anwalt einstellen, und Raffael würde mehr Zeit für seine Familie haben. Doch das waren bislang alles nur Hoffnungen. Schwerfällig stand Sonja auf, um den Korb mit dem Spinat ins Haus zu tragen. Jeder Schritt fiel ihr schwer, und sie fühlte sich wie ein Flusspferd auf Landgang. Unbeweglich, wie sie war, übersah sie den Rechen, den das Hausmädchen auf dem Weg vergessen hatte. Sie stolperte darüber und geriet ins Straucheln. Um nicht zu stürzen, versuchte sie sich an einem Hibiskusstrauch abzufangen. Doch ihre Finger griffen ins Leere, und sie stürzte rücklings in den Busch. Die dünnen Zweige bremsten zwar ihren Fall, doch sie konnte nicht verhindern, dass ein dickerer Ast ihr seitlich in den Bauch schlug. Für einen Moment blieb ihr die Luft weg.
Benjamin wurde durch den röchelnden Hilferuf seiner Mutter aus seinem Spiel gerissen. Als er sah, dass sie auf dem Boden lag und offensichtlich nicht mehr aufstehen konnte, ließ er alles stehen und liegen und lief zu ihr hin.
» Mama, hast du dir wehgetan?« Er war zutiefst erschrocken. Seine Mutter schüttelte zwar den Kopf, gleichzeitig verzog sie aber auch vor Schmerzen das Gesicht. Dann bäumte sie sich auf, und er sah, wie ein Schwall von Flüssigkeit zwischen ihren Beinen hervorströmte. Benjamin war völlig perplex, dass seiner Mutter so etwas passieren konnte.
» Auwei, jetzt hast du dir in die Hosen gemacht!«, stellte er fasziniert fest. » Aber keine Angst, ich verrate dich nicht.«
Seine Mutter versuchte zu lächeln, doch dann verkrampfte sie sich wieder so merkwürdig.
» Hör zu, Benni«, keuchte sie schließlich. » Du musst jetzt ganz schnell ins Haus gehen und Großmutter holen. Sag ihr, dass sie sich beeilen soll!«
Benjamin wurde langsam der Ernst der Lage klar. » Mach ich«,
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