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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Lively
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trug. Sie stellte sie ab, während Alison zu reden anfing, unüberlegt lossprudelte ohne Punkt und Komma: »Da bist du ja wieder! Aber warum hast du uns nicht benachrichtigt, wir hätten dich am Bahnhof abgeholt, hast du dir ein Taxi genommen? So oft sind keine Taxis da, ich wünschte, du hättest mir Bescheid gesagt, und hast du schon was gegessen? Es ist noch Cottage Pie übrig, den kann ich dir aufwärmen, also wirklich, Ingrid, du hättest was sagen sollen …«
    Dann versiegt der Strom. Sie sieht Charles an, der keinen Ton von sich gibt. Er steht da und sieht Ingrid an, die seinen Blick nicht erwidert, sondern sich zu Alison wendet.
    »Ja«, sagt sie. »Ich bin wieder da. So ist es nun mal, nicht? Und jetzt bin ich müde. Ich gehe hinauf, ins Bett.«
    *
    Für Gina, für sie alle bleibt rückblickend der Eindruck, dass Ingrid wieder ins Leben zurückgekehrt ist. Sie ist wieder da, und es ist, als wäre sie nie fort gewesen. Allersmead ist wieder komplett, die Ordnung wiederhergestellt. Werden Fragen geäußert, bleiben sie ohne Antwort. Eines Tages überlegt Sandra beim Frühstück laut, ob Ingrid weggegangen ist, um sich mit ihrem Freund zu treffen; Ingrid sieht Sandra scharf an und sagt, diese Frage sei nicht besonders interessant und sie glaube nicht, dass das jemanden etwas angehe. Bald ist die ganze Episode vergessen und reiht sich in die Geschichte Allersmeads ein, während die Zeit weiterläuft, während die Kinder heranwachsen, sich entwickeln, sich verändern, während die Erwachsenen sich den Umständen anpassen, innerlich davon zerfressen werden oder froh darüber sind.
    *
    »Ich bin jetzt still, versprochen«, sagt Philip, »aber eins muss ich noch sagen, ich finde Ingrid reichlich mysteriös. Im Grunde alle drei. Und irgendwie schmeckt es mir beim Türken nicht mehr so richtig. Wir müssen uns was Neues suchen.«

Der deutsche Austauschschüler
    Roger findet es schwierig, mit der absolut reizenden Kanadierin, die nun seine Frau ist, über seine Kindheit zu sprechen. Susan ist chinesischer Abstammung, aber in Kanada geboren, von Beruf Dermatologin, aufgewachsen in einer Dreizimmerwohnung in Markham, der jungen, mit Torontos Peripherie zusammenwuchernden Stadt. Ihre Eltern sind fleißig, ordentlich und von unerschütterlicher Höflichkeit, ihr Bruder ein frisch gebackener Investmentbanker, weitere Geschwister gibt es nicht. Zum dankbaren Erstaunen ihrer Eltern haben sowohl er als auch Susan das Bildungssystem äußerst erfolgreich durchlaufen und sind daraus als angesehene Bürger hervorgegangen. Wenn Roger bei den Eltern zu Besuch ist, wird ein üppiges chinesisches Mahl aufgetischt; die Eltern sitzen lächelnd da und nötigen ihn, dies und jenes zu probieren. Hier hört er ein leises Echo von Allersmead – Essen als Magnet, der alle anzieht –, aber im Übrigen könnten die Familienumstände unterschiedlicher nicht sein. Die Eltern sagen wenig; sie strahlen und nicken, während Susan und Roger essen und erzählen, was es in letzter Zeit Neues bei ihnen gab. Nach etwa zwei Stunden, nachdem die Gebote der Höflichkeit erfüllt wurden, gehen sie wieder. Susan erklärt Roger, er sei für ihre Eltern ein höchst wünschenswerter Schwiegersohn. Sie ist eine zierliche, energische junge Frau, die im Winter gern Ski läuft und im Sommer wandern geht. In allem, was sie anpackt, beweist sie Geschick; sie glänzt im gewählten Beruf, in der Freizeit saust sie souverän die Skipisten hinunter und kocht auch recht beachtlich (keine Dim Sum, kein Chop Suey, dafür Spaghetti Carbonara, Hähnchen marokkanisch, Hamburger). So viel Kompetenz schüchtert Roger keineswegs ein; er respektiert Susan und findet sie amüsant. Sie ist die Liebe seines Lebens, endlich, dem Himmel sei Dank.
    Roger und Susan haben es geschafft, mit möglichst wenig Rummel zu heiraten; Susan lag besonders viel daran, traditionelle chinesische Zeremonien jeglicher Art zu vermeiden, ohne ihre Eltern vor den Kopf zu stoßen. Dies gelang mit dem Zugeständnis, am Vorabend mit der Familie und deren Freunden zu feiern; man traf sich in einem beliebten Restaurant zu einem chinesischen Festmahl. Geheiratet wurde dann nur auf dem Standesamt, anschließend gab es eine Party für eine Handvoll engster Freunde.
    Jetzt sind die beiden am Ende ihrer Hochzeitsreise angelangt, auf der sie möglichst viele der Wonnen Italiens genossen haben, wo Susan noch nie gewesen ist. Nun ist ein Besuch in Allersmead unumgänglich, um Susan ihren Schwiegereltern

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