Familienbande
hast du dich geirrt.“
William schnaubte.
„Auch du wärst keine gute Vertretung, Samantha. Du bist viel zu jung und zu sehr auf dich selbst konzentriert. Du sprühst voller Leben und willst nur deine Freiheit. Eine Herrscherin hingegen sollte das Wohl aller im Blick haben.“
Laney zuckte zusammen und sah dann schuldbewusst zu Boden. Sie hatte ihr ganzes Leben nur darüber nachgedacht, wie wenig sie den Gedanken ertragen könnte, für immer und ewig an ihre Großmutter gekettet zu sein. Sie wollte eines Tages durchaus eine Verbindung eingehen, aber dann aus freien Stücken und natürlich mit einem Mann. Es war ihr nie in den Sinn gekommen, dass sie als Vertreterin der Ältesten auch sehr viel Gutes bewirken könnte. Sie wäre dazu imstande, die Entscheidungen von Noemi und Akima mit zu beeinflussen, während Marlene schlief. Vielleicht könnte sie es sogar schaffen, die Ältesten dazu zu bringen, die Kaltblüter endlich als gleichwertige Wesen zu akzeptieren. William hatte recht. Sie war bisher wirklich sehr egoistisch gewesen. Doch das entschuldigte nicht Lilianas Mordversuch.
„Und was jetzt?“, fragte Laney ein wenig besorgt. „Bedeutet das alles, dass Liliana nun auch meine Identität kennt?“
„Ich glaube nicht, dass sie es weiß. Aber ich denke, sie hat eine Vermutung … Sie behauptet, du wärst gefallen. Sie meint, sie hätte noch versucht dich festzuhalten, aber da wäre es schon zu spät gewesen.“
Laney knirschte mit den Zähnen, als sie das hörte. Liliana stand also noch nicht einmal zu ihrer Tat.
„Darrek meint, dass wir Lady Liliana nicht nach Hause schicken können, ohne den Zorn der Ältesten zu provozieren. Akima selbst hat ihm befohlen, sie mitzunehmen. Dafür hatte sie bestimmt ihre Gründe. Es passt uns zwar allen nicht, aber wir müssen sie wohl bei uns behalten.“
Laney seufzte. Eigentlich hatte sie so etwas in der Art schon fast erwartet. Es war ihr sogar egal. Sie würde Liliana ertragen, solange es nötig war, und bei der erstbesten Gelegenheit verschwinden, um wieder bei ihrer Familie zu sein. Liliana war im Prinzip nur ein weiteres Ärgernis in dieser ganzen, vertrackten Situation.
„Wie geht es dir eigentlich, Sammy?“, fragte William eindeutig besorgt.
„Schon wieder viel besser“, antwortete Laney wahrheitsgemäß. Noch ein paar Stunden und sie konnte mit Sicherheit weiterreisen. „Ich muss mich wohl noch bei dir bedanken, denke ich.“
„Wofür?“
„Dafür, dass du mir das Leben gerettet hast.“
„Oh“, sagte William und zögerte. „Oh, natürlich. Das … Denk einfach gar nicht mehr daran.“
„Na gut. Aber trotzdem danke schön.“
„Nichts zu danken.“
Eine Weile lang sagte niemand mehr etwas und sie hingen beide ihren eigenen Gedanken nach. Aber dann fiel Laney noch etwas ein, worüber sie seit Stunden nicht nachgedacht hatte.
„Wo sind Darrek und Liliana?“, fragte sie.
„Lady Liliana ist draußen mit Alain und Annick“, antwortete William. „Und Darrek ist … unterwegs.“
Laney sah William abschätzend an. Williams Tonfall konnte sie entnehmen, dass es ihr nicht gefallen würde, wo genau Darrek unterwegs war. Doch sie hielt sich zurück, um nicht weiter nachzubohren. Es war vermutlich besser, wenn sie gar nicht so genau wusste, was er trieb.
Plötzlich kam Laney ein Gedanke. Darrek war nicht da und die anderen schienen alle der Meinung zu sein, dass sie sich ausruhen musste, was ja eigentlich auch stimmte. Aber es ging ihr inzwischen schon viel besser, als sie alle dachten. Wenn Alain sich nicht auf sie konzentrierte, dann würde es ihm sicherlich nicht sofort auffallen, dass sie sich entfernt hatte. Und bis er die anderen informieren konnte, war es wahrscheinlich schon zu spät für Annick ihre Mauer einzusetzen. Vielleicht war jetzt Laneys Chance, möglicherweise sogar ihre einzige Chance zu entkommen.
Ausgiebig fing sie an zu gähnen.
„Meine Güte, bin ich immer noch müde“, sagte sie und versuchte dabei möglichst verschlafen zu klingen. „Ich sollte wirklich noch ein wenig schlafen.“
„Ja“, stimmte William ihr zu. „Tu dir keinen Zwang an. Wir werden solange hier bleiben, bis du dich wieder erholt hast.“
Laney nickte und kuschelte sich ein wenig in ihre Decken.
„Will?“, flüsterte sie.
„Ja, Samantha.“
„Würde es dir etwas ausmachen, mich ein wenig allein zu lassen? Ich hätte gerne noch etwas Ruhe.“
William schien sich unsicher zu sein, ob er ihrer Bitte nachkommen sollte oder nicht, aber
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