Familienbande
sie den Blick von ihm ab und lief weiter auf dem Deck herum. Eine Welle brachte sie ins Stolpern und sie musste sich am Mast festhalten, um nicht hinzufallen. Doch ohne sich davon beeindrucken zu lassen, ging sie weiter und missachtete den kalten Regen, der sie vollkommen durchweichte.
Laney bahnte sich einen Weg bis zur Reling und sah hinunter zum Wasser. Es sah überaus faszinierend aus. Wütend spritzten die Wellen gegen das Schiff und versuchten begierig es zu versenken. Dankbar dachte Laney daran, dass die MERMAID ein sehr widerstandsfähiges Schiff war. So schnell würde sie bestimmt nicht untergehen.
Bevor Laney den Gedanken jedoch zu Ende gebracht hatte, traf sie ganz plötzlich etwas Hartes am Hinterkopf. Sie kippte nach vorne und konnte sich gerade noch an der Reling festklammern. Ihr Kopf dröhnte und vor ihren Augen drehte sich alles. Dann riss etwas ihre Beine hoch und sie fiel in die Tiefe. Den Aufprall spürte sie schon kaum noch.
Laney war eigentlich eine gute Schwimmerin. Ihre Eltern und Greg hatten es immer wieder mit ihr geübt, als sie noch ein Kind gewesen war. Aber der Respekt vor dem Wasser blieb. Denn unter Wasser konnte sie nicht atmen und wenn sie nicht atmen konnte, bekam sie Panik. Und genau an diesem Punkt war sie jetzt. Sie fühlte sich vollkommen desorientiert. Verzweifelt fuhr sie mit den Armen durch das Wasser und versuchte wieder an die Oberfläche zu gelangen. Aber sie konnte nichts sehen. Es war stockfinster um sie herum und es gab für sie keinerlei Möglichkeit zu erkennen, wo unten und wo oben war.
Reiß dich zusammen, Laney, dachte sie grimmig und zwang sich dazu rational zu denken. Der Schwerkraft zu folgen war unmöglich, weil sie so sehr hin und her wirbelte, dass sie sie möglicherweise in die falsche Richtung ziehen würde. Verzweifelt wünschte sie sich eine Schwimmweste zu tragen.
Folge deinem Instinkt, sagte Laney sich und schwamm entschlossen los. Es dauerte nicht lange, bis sie wieder die Oberfläche erreichte und dankbar nach Luft schnappen konnte.
„ Hilfe! “, schrie sie verzweifelt. „ Hilfeee! “
Aber der Regen übertönte ihre Stimme vollkommen. Sie konnte sich ja selber kaum hören. In ihrem Kopf drehte sich immer noch alles und Laney versuchte verzweifelt den Schmerz auszublenden.
Wenn sie nicht so abgelenkt gewesen wäre, dann hätte sie die riesige Welle wahrscheinlich bemerkt, die auf sie zugerast kam. So jedoch wurde sie von ihrer Wucht vollkommen überrascht. Die Welle riss ihren Kopf so weit nach hinten, dass sie das Gefühl hatte, er würde ihr abgerissen. Und dann war sie wieder unter Wasser. Sie trat wie wild mit den Beinen und ruderte verzweifelt mit den Armen, aber dieses Mal gab das Meer sie nicht so einfach wieder frei. Alles war vollkommen schwarz. Schwarz und bedrohlich. Verzweiflung überkam sie, als sie merkte, dass ihr langsam die Luft ausging. Wie lange brauchte man, um zu ertrinken. Zwei Minuten? Zehn Minuten? Es kam vermutlich darauf an, wie gut die Lungen trainiert waren und wie viel man aushielt. Doch in einem war Laney sich sicher. Sobald man zuließ, dass der Reflex zu atmen einen übermannte, war man verloren. Wasser drang in die Lungen ein und man war innerhalb von wenigen Sekunden tot. Warmblüter unterschieden sich in diesem Fall nicht großartig von Menschen.
Laney spürte, wie sich die Panik in ihrem Körper langsam in Gleichgültigkeit verwandelte. Ihre Lungen schmerzten und sie wusste, dass sie es nicht mehr lange aushalten würde. Irgendwann musste wahrscheinlich jeder einmal sterben. Selbst die Unsterblichen. Als die Schmerzen unerträglich wurden, konnte Laney nicht mehr anders. Sie öffnete den Mund und holte Luft.
Kapitel 23
Die Insel
„Laney“, rief Darrek verzweifelt, während er immer und immer wieder gegen ihre Brust drückte. „Wehe dir, du stirbst, Laney. Wag es ja nicht einfach zu sterben. Nicht du auch noch …“
Er saß klitschnass neben dem Mädchen auf einer Sandbank und kämpfte erbittert um ihr Leben. Es regnete immer noch und war eiskalt, doch die Wellen waren nicht mehr so hoch und der Wind hatte sich gelegt.
Darrek beugte sich hinunter, öffnete Laneys Mund und blies Sauerstoff in ihre Lungen. Sie rührte sich nicht. Ganz offensichtlich wollte sie nicht wieder zu Bewusstsein kommen, sondern klammerte sich an ihre Ohnmacht. Doch Darrek hatte nicht vor, sie einfach sterben zu lassen.
Als er gesehen hatte, wie Liliana sie über Bord warf, hatte er nur einen Sekundenbruchteil gezögert,
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