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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Siebern
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ihn daran erinnern. Es war, als wäre sie sein privater Hausgeist, der immer dann auftauchte, wenn er gerade dabei war zu vergessen, was er ihr angetan hatte.
    „Warum tust du das, Kara?“, fragte er aufgebracht. Sie hatten dieses Gespräch schon viele Male geführt, aber er fühlte sich immer wieder dazu gezwungen, sich erneut mit ihr auseinander zu setzen. Das war er ihr schuldig. „Warum besuchst du mich immer wieder? Du hast mich nie erhört. Du hast mich nie geliebt und du hast mich nie wirklich ernst genommen. Warum bin ich es, den du immer wieder in seinen Träumen heimsuchst. Warum besuchst du nicht Jason, deinen ehemaligen Mann? Solltest du nicht Rache an ihm nehmen, weil er sich so bald nach deinem Tode an eine andere gebunden hat. Und zwar noch dazu an eine Dienerin? Sollte das nicht deinen Stolz kränken und dich dazu veranlassen, ihn jede Nacht in seinen Träumen zu quälen?“
    Karas Lächeln veränderte sich und wirkte nun traurig.
    „Ich bin kein Geist, Darrek“, erinnerte sie ihn. „Es ist nicht so, als hätte meine Seele noch keinen Frieden gefunden und würde deswegen weiter auf Erden herumirren. Und selbst wenn es so wäre, hätte ich keine Veranlassung Jason zu besuchen. Er hat sich mit meinem Tod abgefunden. Es war nicht seine Schuld, dass ich gestorben bin, und er musste darüber hinwegkommen. Ich weiß, dass er mich geliebt hat, und ich weiß, dass er mich niemals verlassen hätte, wenn ich in jener Nacht nicht gestorben wäre. Aber ich bin nun mal gestorben. Und es wäre nicht mein Wunsch, dass er deswegen auf ewig allein bleibt. Ich habe ihn geliebt, wie du weißt. Ich will nur, dass er glücklich ist. Und wenn es eine Dienerin ist, die ihm dieses Glück ermöglicht, dann soll es so sein.“
    Darrek schüttelte ungläubig den Kopf.
    „Du kannst wirklich kein Geist sein. Ich wette, die alte Kara hätte das ganz anders gesehen.“
    Kara lächelte wieder und sah dabei bezaubernder aus als je zuvor.
    „Vertrau mir, Darrek. Kara hätte es ganz genauso gesehen wie ich. Denn obwohl ich nicht sie bin, so bin ich doch ein Teil von ihr. Daher ist es nicht anmaßend, wenn ich wage, für sie zu sprechen.“
    Darrek schnaubte. Es fiel ihm schwer, das zu glauben. Die Kara, die er gekannt hatte, war stolz und kühl gewesen, genau wie die anderen Frauen der Familie. Sie hatte die Diener herablassend behandelt und nie einen zweiten Blick an sie verschwendet.
    „Ich habe mich damals den Begebenheiten angepasst“, erklärte Kara, als hätte sie seine Gedanken gelesen. „Ich gebe zu, dass ich mir nie großartig Gedanken darüber gemacht habe, ob es gerecht ist, die Kaltblüter als Diener zu halten. Aber ich bin auch niemals grausam ihnen gegenüber gewesen. Als Kind hast du sogar mit ihnen gespielt, weißt du nicht mehr?“
    Darrek nickte zögerlich.
    „Ich habe den Ältesten ziemlich viele Streiche gespielt“, gab Darrek zu. „Du hast mich damals geschützt und die Diener haben sogar Strafen in Kauf genommen, damit die Schuld nicht auf mich fiel.“
    Kara nickte.
    „Du hattest ein Kindermädchen, das du sehr geliebt hast. Tatjana. Weißt du noch?“
    Darrek atmete tief durch. Er hatte Tatjana vergöttert. Sie hatte keine Gaben besessen, war aber die Einzige gewesen, die ihm als Kind auch Grenzen gesetzt hatte. Durch ihre resolute Art und ihr einnehmendes Wesen hatte sie problemlos Darreks Zuneigung gewonnen.
    „Ja, das weiß ich noch“, sagte Darrek. „Akima hat sie auspeitschen lassen, als sie aus ihrer Schlafphase erwacht war. Von mir.“
    Kara schwieg, als hätte sie dieses klitzekleine Detail vergessen. Akima war erwacht, als Darrek zwölf Jahre alt gewesen war. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Junge einen Großteil seiner Entwicklung bereits durchlaufen und keinerlei Interesse daran, seine richtige Mutter kennenzulernen. Viel lieber hielt er sich weiterhin bei Tatjana und Kara auf. Niemals hätte er erwartet, Akima könnte Tatjana als Konkurrenz betrachten. Bis zu dem Tag, an dem sie ihm die Hand auflegte und ihm den Befehl gab, sein Kindermädchen auszupeitschen. Darrek wusste, dass sie ihn damit genauso hatte bestrafen wollen wie Tatjana. Und das hatte funktioniert. Nie zuvor hatte Darrek etwas so sehr verabscheut, wie das Gefühl der Machtlosigkeit durch Akimas Befehl. Er hatte keinerlei Kontrolle mehr über seinen Körper gehabt und die Bewegungen ohne eigenes Zutun ausgeführt. Er hatte versuchte dagegen anzukämpfen und sich zu wehren, doch der Befehl war unumstößlich gewesen. Und

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