Familienbande
erinnere mich nicht gerne daran zurück.“
Doch Darrek nickte und Kara zuckte die Schultern. Sie drehte sich auf dem Stuhl in Richtung Bett und hob den Arm, als wollte sie eine große Buchseite umblättern. Und tatsächlich war das Bett vor ihnen plötzlich nicht mehr leer. Kara lag darin. Doch nicht die Kara, die in einem wunderschönen Kleid auf dem Schminkhocker saß, sondern die Kara, die vor über fünfzehn Jahren gestorben war. Sie trug ein weißes Nachthemd und ihr Haar war für die Nacht zu einem langen Zopf geflochten. In ihrem Blick lagen Angst und Verzweiflung. Tränen rannen ihr die Wangen hinab, während sie zusah, wie der Mann neben ihr mit einem Messer Löcher in ihre Venen stach. Die Verletzungen sollten so aussehen, als wäre Kara von Wilden angegriffen worden.
„Du musst dagegen ankämpfen, Darrek“, flehte sie unter Schmerzen. „Ich weiß, dass du das nicht willst. Du stehst unter ihrem Befehl. Aber glaube mir. Akima hat nur so viel Macht über dich, wie du ihr zugestehst. Du musst kämpfen, Darrek. Kämpf dagegen an.“
Darrek beobachtete von außerhalb, wie sein früheres Ich den Kopf hob, Kara einen traurigen Blick zuwarf und dann in seiner Arbeit fortfuhr. Er hatte versucht, gegen Akimas Befehl anzukämpfen. Er hatte sich wirklich Mühe gegeben, sich gegen den inneren Zwang zu wehren und Akimas Gabe außer Gefecht zu setzen. Doch es war ihm nicht gelungen.
„Manchmal glaube ich, dass du es nicht stark genug versucht hast“, bemerkte die Kara aus Darreks Erinnerung, während sie beobachtete, wie ihr früheres Ich langsam im Bett verblutete.
„Nicht versucht?“, rief Darrek. „Ich habe wie verrückt dagegen gekämpft. Aber es hat einfach nicht geklappt. Du weißt genau, wie mächtig Akimas Gabe ist. Deswegen hasse ich sie so. Sie kann mich mit einem Fingerschnippen dazu zwingen, alles zu tun, was sie will. Und trotz meiner Gabe gibt es nichts, was ich dagegen tun könnte. Ich hatte doch gar keine Chance.“
„Sei ehrlich, Darrek“, forderte Kara ihn auf. „Hattest du nicht auch ein ganz kleines bisschen das Gefühl, dass es mir recht geschah? Dass ich verdient hatte, bestraft zu werden, weil ich mich nicht für dich, sondern für Jason entschieden hatte?“
Darrek sah Kara wütend an und öffnete den Mund, brachte aber kein Wort heraus. Hatte er damals solche Gefühle gehabt? War das der Grund, warum es ihm nicht gelungen war, Akimas Gabe zu besiegen? Er war wirklich wütend und enttäuscht gewesen, als Kara mit Jason davongelaufen war. Es war ihm wie ein Verrat vorgekommen, dass sie einen anderen Mann erhört hatte, während sie ihm selbst nicht einmal die Chance gegeben hatte, sie glücklich zu machen. Er hatte sie für ihre Dummheit verflucht und Rache geschworen. Doch niemals, niemals hätte er ihr den Tod gewünscht.
„Glaubst du wirklich, ich hätte Akima besiegen können, wenn ich nur gewollt hätte?“, fragte Darrek nachdenklich. „Ist das der Grund, warum du mich immer wieder besuchst?“
Doch Kara winkte ab.
„Schsch“, machte sie. „Du musst aufpassen. Gleich kommt der interessanteste Teil.“
Darrek sah auf und beobachtete, wie sein früheres Ich sich neben die blutende Frau aufs Bett setzte. Er hatte seinen Auftrag erfüllt und Akima hatte ihm durch ihren Befehl nicht verboten, Kara auf ihrem letzten Weg beizustehen.
„Ich war froh, dass du mich damals nicht allein gelassen hast“, bemerkte Kara traurig. „Du warst immer wie ein Bruder für mich, Darrek. Ich wusste, dass du mir ohne den Befehl niemals ein Leid zugefügt hättest.“
Da Darrek sich nicht sicher war, ob er sprechen könnte, nickte er nur und sah weiter zu, wie sein früheres Ich Karas Hand in seine nahm und ihr vorsichtig über den Handrücken strich. Er wollte etwas sagen, aber der Befehl von Akima lähmte ihm die Zunge. Kein Wort kam über seine Lippen.
„Schon gut“, flüsterte die sterbende Kara und sah ihn an. Sie wirkte nicht mehr ängstlich oder panisch, sondern nur noch traurig und schwach. „Ich weiß … Ich weiß, dass du das nicht wolltest, Darrek.“
Es war, als hätte sie sich bereits mit ihrem Tod abgefunden und sähe keinen Sinn mehr darin, es noch weiter hinauszuzögern. Sie wusste, dass sie sterben würde und wollte ihm dafür vergeben.
„Kannst … Kannst du mir einen letzten Gefallen tun, Darrek?“
Das Reden kostete sie sichtlich viel Mühe und jedes Wort schien eine Qual zu sein. Darrek wollte antworten, musste sich aber mit einem Nicken begnügen.
„Ich
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