Familienkonferenz in der Praxis
hat.«
Beiden Elternteilen konnte die ›Familienkonferenz‹ offensichtlich wenig dabei helfen, die unvermeidlichen Konflikte in Eltern-Kind-Beziehungen zu bewältigen. Beide sind der Auffassung, dass sie nichts in den Händen haben, um mit Kindern fertigzuwerden, deren Überzeugungen und Wertvorstellungen mit denen ihrer Eltern kollidieren.
Zwar haben viele Eltern Techniken erworben, mit deren Hilfe sie besser als früher mit solchen Wertkollisionen fertigwerden, wie ich an späterer Stelle in diesem Kapitel darlegen werde. Doch können einige Eltern mit den Richtlinien, die die ›Familienkonferenz‹ für den Fall solcher Differenzen vermittelt, nichts anfangen. Sie sind verwirrt und enttäuscht.
Was erfahren Eltern bei uns über Wertkollisionen? Diese Frage soll kurz erörtert werden, bevor ich auf die Fehler eingehe, die den Eltern nicht selten unterlaufen, wenn sie unsere Technik anwenden. Anschließend werde ich illustrieren, wie sich Wertkonflikte effektiv bewältigen lassen.
Die Besonderheit der Wertkollision
Schon sehr früh in der Entstehungsphase des Kurses (und ebenso im Buch Familienkonferenz ) wurde mir klar, dass die niederlagelose Konfliktbewältigung in bestimmnten Fällen selten Erfolg hat. Es haben sich immer dann Schwierigkeiten bei ihrer Anwendung ergeben, wenn sich die Konflikte zwischen Eltern und Kindern auf bestimmte Problemkreise beziehen: Wertvorstellungen, Lebensstile, Kleidungsfragen, Freundeswahl, ästhetische Vorlieben, Moralvorstellungen, politische Überzeugungen, Lebensziele, persönliche Gewohnheiten. Viele Kinder sehen einfach keinen Grund dafür, ihr Verhalten zu verändern. Noch nicht einmal die Notwendigkeit, mit ihren Eltern zu verhandeln (sich zu Methode III bereitzufinden), erkennen sie an. Sie sind der Überzeugung, dass diese besonderen Konflikte (später haben wir sie Wertkollisionen getauft) Verhaltensweisen betreffen, die ohne konkrete oder greifbare Einwirkung auf das Leben ihrer Eltern sind. Sie halten ihren Eltern entgegen: »Warum sollen wir das verändern, woran wir glauben oder dem wir Wert zumessen – es stört euch doch nicht konkret und fügt euch keinen Schaden zu.«
Wenn sie ausgefallene Frisuren lieben, … dass zu ändern, nur weil ihre Eltern es gerne anders hätten, sind sie nicht bereit. Wie sie ihr Haar tragen, ist nicht das Problem der Eltern. Dasselbe gilt für die Freundeswahl, die Art und Weise, wie sie sich anziehen, die Musik, die sie mögen, wie stark sie sich schminken, wie kurz die Röcke sind – oder wie eng die Hosen. Kein Wunder, dass die Eltern mit ihren Ich-Botschaften und ihren Versuchen, die Kinder zur niederlagelosen Konfliktbewältigung zu überreden, heftigem Widerstand begegnen. Die Kinder sind hinsichtlich ihrer Wertvorstellungen und Überzeugungen zu keinem Kompromiss bereit. Schließlich
beeinträchtigt ihr Verhalten die Bedürfnisse ihrer Eltern überhaupt nicht. Die Kinder kämpfen also um ihre Rechte.
Es geht hier um ein entscheidendes Prinzip, wenn es von Eltern auch nur schwer zu akzeptieren ist: Kinder sind gewöhnlich nur dann bereit, sich an der niederlagelosen Methode zu beteiligen, wenn ihnen hinreichend deutlich wird, dass ihr Verhalten in irgendeiner greifbaren und konkreten Weise (der Schlüsselbegriff) die Eltern beeinträchtigt.
Erinnern wir uns, welcher Nachdruck auf den dritten Teil der Ich-Botschaft, »den greifbaren und konkreten Effekt«, gelegt wurde. Wenn man Menschen zur Veränderung ihres Verhaltens motivieren will, muss man sie davon überzeugen, dass der Effekt auf den anderen in irgendeiner realen (glaubhaften) Deprivation besteht. Unsere Erfahrung in den Familienkursen hat gezeigt, dass es den Eltern im Falle der meisten Wertkollisionen schwerfällt, eine dreiteilige Ich-Botschaft zu senden. Sie können nicht mit einem realen (konkreten oder greifbaren) »Effekt« dienen oder auch nur mit einem Effekt, der glaubhaft genug ist, um die Kinder zu einer Veränderung ihres Verhaltens zu motivieren. Versuchen Sie es selbst in den folgenden Beispielen.
Ergänzen Sie die Lücken:
1.
Wenn du dir ein Bauchnabel- piercing machen lässt, bin ich wirklich ärgerlich, weil ____________________
– nicht akzeptables Verhalten
– Gefühl
– greifbarer Effekt
2.
Wenn du diese schrecklichen Schlabberhosen trägst, bin ich sehr gereizt, weil ____________________
– nicht akzeptables Verhalten
– Gefühl
– greifbarer Effekt
Wie die meisten Eltern werden auch Sie wahrscheinlich keinen plausiblen Grund
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