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Familienkonferenz in der Praxis

Familienkonferenz in der Praxis

Titel: Familienkonferenz in der Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gordon
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ein Verhalten zu verändern, das sich auf sie weder greifbar noch konkret auswirkt. Ich-Botschaften dürften da in der Regel völlig nutzlos sein. Wenn Eltern dann zum Moralisieren, zum Belehren und Meckern oder anderen Formen von Vorwürfen übergehen, stoßen sie meist auf Feindseligkeit.
    Zu den schlimmsten Auseinandersetzungen kommt es, wenn Eltern in ihrer Enttäuschung und Verzweiflung ihre mächtigsten Geschütze auffahren: Macht und Autorität. Wenn sie dann drohen, verbieten, strafen,
rächen sich die Kinder dadurch, dass sie mitten im Gespräch das Zimmer verlassen, sich einigeln, lügen und manchmal auch die Familie verlassen.
    Unsere Erfahrung lehrt uns, dass Auseinandersetzungen über Wertvorstellungen der Familie den größten Schaden zufügen. Die Beziehungen werden zerstört, die Kommunikation bricht zusammen, die Familie fällt auseinander. Der verbohrte Wunsch, die Schlacht um die Wertvorstellungen zu gewinnen, ist schuld daran, dass die Eltern dann auch den Krieg verlieren. Die Kinder lassen sich sozusagen von ihnen scheiden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit lässt sich dann auch vorhersagen, dass die Kinder sich weigern werden, sich in anderen Situationen an der Methode III zu beteiligen – das gilt dann selbst für Konflikte, die normalerweise durch das niederlagelose Verfahren bewältigt werden könnten.
    Effektive Verfahren zur Beilegung von Wertkollisionen
    Dass die Methode III auch bei derartigen Konflikten zum Erfolg führt, dazu bedarf es einer tief greifenden Einstellungsänderung. Hören wir dazu den Bericht eines Vaters:

    »Mir ist allmählich klargeworden, dass wir versucht haben, sie durch die Vorschriften, die wir ihnen hinsichtlich des Haarschnitts und der Kleidung machten, unserer eigenen Bezugsgruppe anzupassen. Ich wollte einen guten Eindruck mit ihnen machen, wenn ich sie Geschäftsfreunden vorstellte. Aber das ist nicht ihre Bezugsgruppe. Sie sind Menschen, und als solche haben sie ebenso sehr ein Recht darauf, in ihrer eigenen Bezugsgruppe etwas zu gelten wie ich in der meinen. Diese Erkenntnis ist mir schwergefallen. Ich glaube, manche Eltern werden das nicht akzeptieren. Ich bin mir auch nicht sicher, dass ich es immer hinnehme, aber zumindest bin ich bereit, einige meiner Wertvorstellungen zu modifizieren, damit sie die Möglichkeit haben, in ihrer Bezugsgruppe akzeptiert zu werden.«

    Eine Mutter berichtet, wie sich ihre Einstellung zu langem Haar veränderte:

    »Ich hätte sein Haar gern kürzer gesehen, aber ich sagte: ›Es ist dein Haar, und ich bin bereit zu akzeptieren, dass du es gern länger wachsen lassen möchtest‹ … Vielleicht befürchtete ich, den letzten Rest von Kontrolle über meine Kinder zu verlieren – es war Angst.«

    Im folgenden Beispiel fängt der Vater an, allmählich die Tatsache zu akzeptieren, dass Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen müssen:

    »Das uralte Problem von Eltern: Sie möchten, dass ihre Kinder sich ihren Rat zu eigen machen. Aber Kinder müssen ihre Erfahrungen selbst machen. So ist man enttäuscht, wenn man seinen Erfahrungsschatz nicht weiterreichen kann … Aber ich denke, er ist alt genug, dass man ihn von nun an seine eigenen Erfahrungen machen lassen kann, und damit basta.«

    Wenn Eltern zu dieser grundlegenden Einsicht bereit sind, schaffen sie es eher, ihre Kinder nicht mehr mit Vorwürfen zu überschütten. Sie sind dann reif, die Methoden anzuwenden, die wir in der ›Familienkonferenz‹ für den Umgang mit Wertkollisionen lehren.
    Ein wirkliches Vorbild sein
    Heute ist mir klar, dass wir den Eltern im Kurs nicht deutlich genug zeigen, welche Bedeutung vorbildhaftem Verhalten zur Formung und Beeinflussung kindlicher Werte und Überzeugungen zukommt. Sicher, wir teilen den Eltern mit, dass Kinder darauf angewiesen sind, viele der elterlichen Wertvorstellungen dadurch zu lernen, dass sie beobachten, was ihre Mütter und Väter tun, und dass sie hören, was sie sagen. Wir machen deutlich, dass Eltern ihre Vorstellungen eigentlich dadurch vermitteln, dass sie sie in der Realität vorleben. Schließlich warnen wir sie vor der Inkonsequenz des »Tu, was ich sage, nicht was ich tue«.
    Leider haben Eltern aus irgendeinem Grund wenig Vertrauen zu diesem
Prozess. Sie befürchten, dass ihre Kinder die Wertvorstellungen möglicherweise nicht übernehmen, die ihnen von ihren Eltern vorgelebt werden. Was wir bislang vernachlässigt haben, ist die Tatsache, dass Kinder mit viel größerer Wahrscheinlichkeit am elterlichen

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