Familienpackung
Cocktails in der Hand und ungestört aufs Wasser starren. Ohne Kinder, die aufs Klo müssen oder sofort zum Überleben ein Eis brauchen oder jetzt gleich eine Burg gebaut haben wollen. Drei Stunden morgens und drei Stunden nachmittags kann man die Kleinen in den so genannten ›Mini Club‹ schicken. Dafür ist der Urlaub auch sauteuer. Natürlich weiß ich, dass ein solches Verhalten durchaus etwas Groteskes hat. Da bekommt man erst Kinder, freut sich wie Bolle und ist dann innerhalb kürzester Zeit bereit, Unsummen zu bezahlen, nur um sie mal für ein paar Stunden loszuwerden. Das ist schon ein wenig verrückt, aber trotzdem sehr verlockend. Wir buchen zwei Wochen Aufenthalt an der türkischen Riviera. Ich will auf jeden Fall Sonne, und in der Türkei regnet es nun mal selten. »Ihr werdet euch kaputtschwitzen«, meint meine Mutter zwar warnend, aber da habe ich keine Bedenken. Solange ich nur im Schatten rumliege und keine größeren Leistungen von mir erwartet werden, habe ich mit der Hitze wenig Probleme. »Wenn du erst mal in den Wechseljahren bist, wirst du das Thema Hitze distanzierter betrachten«, legt meine Mutter nach, aber da bin ich, zurzeit jedenfalls noch, sehr lässig. Wenn überhaupt bei diesem Urlaub geschwitzt wird, dann von unserem Dispo-Kredit.
Cluburlaub ist gewöhnungsbedürftig. Man wird zum Herdentier. Alle duzen sich, und die alten Hasen, die zum Teil wirken, als wären sie schon im Club geboren, erklären den Neuen die Welt. Die Welt des Clublebens.
Regel Nummer eins: Nur die eigene Familie beim Essen
am Tisch um sich zu scharen ist unmöglich. Undenkbar. Geradezu ein Sakrileg. Wozu gibt es die berühmten Achtertische? Damit man sich mit anderen Menschen zum Essen trifft oder sich spontan irgendwo dazuhockt. Und sich unterhält. Diese Regel hat, wie die meisten Regeln, durchaus ihr Gutes: Wer Lust hat, Bekanntschaften zu schließen, tut sich so viel leichter. Man muss sich ja irgendwo hinsetzen – wer will schon im Stehen essen? –, also schaut man, wo die sympathisch aussehende Familie vom Strand sitzt und fragt, ob man sich setzen darf. Nein zu sagen, wenn jemand fragt, gilt als absolut unhöflich und ist nur gestattet, wenn man sich schon mit anderen verabredet hat. Niemand im Club wird je den Abend vergessen, an dem eine relativ neu Angereiste doch glatt auf die Frage, ob man sich dazusetzen dürfe, mit Nein, sie wolle gern mal nur mit ihrer Familie essen, geantwortet hat. Eine mittlere Todsünde, die dazu führte, dass die Arme in den nächsten Wochen wie eine extrem verhaltensauffällige Person beäugt wurde.
Regel Nummer zwei: Nach dem Abendessen besucht man die clubeigenen Shows. Es spielt keine Rolle, ob man, wie ich, Musicals generell eher ablehnend gegenübersteht oder nicht. Wer in den Club reist, lässt sich die Shows nicht entgehen. Erstens hat man sie ja mitbezahlt, und zweitens kann man ihnen sowieso nicht entkommen, denn egal, wo man sich aufhält, man wird gnadenlos mit beschallt. Außerdem scheint unsere Tochter Claudia einen fatalen Hang zum Showgeschäft zu haben. Wie ein kleiner Pawlow’scher Hund zieht sie uns Abend für Abend ins Amphitheater des Clubs, wir schwitzen uns brav einen ab – Mama, du hattest recht, es ist barbarisch heiß und schwül selbst noch nachts um halb elf – und bestaunen die armen Animateure, die
sich in dicken Katzenfellen zum Playbackgesang von ›Cats‹ oder Ähnlichem abplagen, und sehnen uns nach einer kleinen lauschigen Strandbar, einem kühlen Bier und einer musical- und kinderfreien Zone.
Einmal in der Woche gibt es die große Kindershow. Das Videokameraereignis der Woche. Claudia will natürlich mitmachen. Rampenlicht – ich komme. Wer abends auftreten will, muss tagsüber üben. Das war unserer Tochter allerdings nicht so ganz klar. Aber sie hat die Kröte geschluckt und ist brav in den ›Mini Club‹ gewackelt, um zu proben.
Der Tagesablauf in einem Club ist straff gegliedert. Rund um die Uhr gibt’s Sport. Schon morgens um 7 . 30 Uhr steht Joggen auf dem Programm. »Da gehe ich ab jetzt hin«, kündige ich am dritten Urlaubstag vollmundig bei Christoph an. »Viel Spaß«, sagt der nur. Er hat keine Lust. Ist ihm zu heiß zum Rennen. Obwohl er der Läufer in unserer Beziehung ist. Christoph rennt zu Hause regelmäßig. Zum Ausgleich. Er preist das Laufen auch gerne mal an: »Es räumt im Kopf auf und entspannt.« Hier im Urlaub bietet er großmütig an, bei den Kindern zu bleiben. »Wir treffen uns, wenn du fertig
Weitere Kostenlose Bücher