Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
ihre Hand vertraulich auf Armins Arm, sobald er sich wieder gesetzt hatte.
Worauf der gute Mann errötete und angesichts des üppigen Dekolletés direkt vor seiner Nase nicht wusste, wohin er seinen Blick lenken sollte.
Ich hingegen war schon heilfroh, dass meine Freundin keinen anzüglichen Spruch über auszugrabende Wurzeln gemacht hatte.
Seit er uns am Schwarzesee angetroffen und spontan ein Nachtlager angeboten hatte, war sie völlig entflammt für den stämmigen, auf seine unbeholfene Art anziehenden Bauern. Und mit jedem Glas Enzianschnaps nahm ihre Begeisterung zu. Vor allem seit sie wusste, dass er den Hof mit den vierzehn Kühen, acht Ziegen und einem Dutzend Hühnern im Alleingang bewirtschaftete.
»Ich muss mal raus, frische Luft schnappen«, erklärte Joana, die seltsam unbeteiligt mit am Küchentisch gesessen hatte.
»Lass mich wissen, wenn du was brauchst!«, rief ihr Miranda hinterher, doch als Antwort erhielt sie nur ein verächtliches Schnauben.
Miranda schenkte Armin und sich wieder voll, doch ich winkte ab, als der Flaschenhals über meinem Glas schwebte.
»Ich lass euch Turteltäubchen kurz allein«, entschuldigte ich mich und folgte Joana ins Freie.
Ich fand sie auf dem Rand eines Brunnens sitzend, der aus einem längs halbierten und anschließend ausgehöhlten Baumstamm gezimmert worden war. Das warme Licht der Lampen, das durch die Fenster nach außen drang, ließ ihre Gestalt vor dem nachtschwarzen Hintergrund aufleuchten.
Joana drehte den Kopf weg, sobald sie mich bemerkte, doch als ich mich neben sie setzte, sah ich ihre Augen feucht glitzern.
»Es ist nicht einfach«, versuchte ich, sie zu trösten, doch sie starrte nur reglos auf die nächtliche Alp. Fett und gelb hing der Vollmond am Himmel und die gezackten Bergkämme wirkten in seinem fahlen Licht wie die Rücken riesiger Drachen. Ein lauer Wind trug das Bimmeln von Kuhglocken zu uns herüber.
»Einfach? Das habe ich auch nicht erwartet«, erwiderte Joana nach einer Weile.
»Aber wieso muss sie so sein? So … vulgär? Ich habe mir so sehr einen Vater gewünscht und nun muss ich mit einer überdrehten Transe klarkommen. So habe ich mir das überhaupt nicht vorgestellt.«
»Es kommt im Leben oft vor, dass sich die Dinge anders gestalten, als man sie sich erhofft hat …«
»Mann, spar dir deine Plattitüden!«, fuhr sie mich an.
Sie machte es mir nicht gerade leicht. »Du musst dich von der herkömmlichen Vorstellung eines Vaters lösen, anders geht es nicht, denn das kann sie dir niemals sein«, startete ich einen behutsamen Neuversuch. »Gib ihr eine Chance und sieh sie als mögliche Freundin an. Nach all den maßgebenden Jahren, die euch in eurer Beziehung fehlen, ist das auch wesentlich sinnvoller.«
»Aber ich hab das Gefühl, sie nimmt mich gar nicht richtig wahr. Sie behandelt mich wie ein weiteres Accessoire in ihrer Sammlung.«
Da hatte Joana zweifelsohne recht, denselben Eindruck hatte ich in den vergangenen Tagen auch bekommen. Miranda hatte Joana einfach einsortiert und führte ihr Leben weiter, als hätte sich nichts verändert.
»Du musst mit ihr reden! Die letzten Tage waren nicht gerade geeignet, um eine solide Beziehung zwischen euch aufzubauen, aber sobald wir zurück in Zürich sind, solltest du sie dir vornehmen. Ich weiß, wie sie tickt. Sie versucht es erst auf dem einfachen Weg, nur wenn du ihr deutlich zu verstehen gibst, dass du mehr von ihr brauchst, wird sie sich dir öffnen.«
»Meinst du?«
Ich lächelte zuversichtlich. »Wir sind seit Urzeiten miteinander befreundet. Miranda hat ein großes Herz. Ich denke, die Situation macht ihr genauso zu schaffen wie dir, aber sie kennt einfach mehr Fluchtmöglichkeiten als du.«
»Sie ist schon etwas Besonderes«, bemerkte Joana, nachdem sie einen Moment lang nachgedacht hatte.
»Du kannst stolz auf sie sein. Gib ihr etwas Zeit und du wirst erkennen, wie sie wirklich ist. Hinter der glitzernden Fassade verbirgt sich ein großzügiger und warmherziger Mensch.«
»Der zurzeit gerade ›Bauer, ledig, sucht …‹ spielt.«
Nachdem wir Miranda mit vereinten Kräften vom Schoß des Bauern gezerrt hatten, bezogen wir unser Nachtquartier. Armin hatte uns in der nahe liegenden Scheune Militärschlafsäcke ausgerollt, da wir nach der Besichtigung der schmalen und hart aussehenden Pritschen, die er uns erst im Haus angeboten hatte, auf der Stelle das für uns Städter um einiges abenteuerlichere Bett im Heu vorgezogen hatten.
Ich hatte es mir gerade
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