Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
diente dieses Programm zur Aufklärung von Diebstählen, aber selbstverständlich konnte man es auch anders einsetzen. Das war der Grund, weshalb Kamil und Raffi immer haargenau wussten, wo wir uns gerade aufhielten.
»Du willst es aber nicht etwa zerstören?«, rief Joana entsetzt, als ich das Handy auf den Boden legte und den Fuß anhob. Lange reichte der Akku ohnehin nicht mehr aus, aber ich wollte auf Nummer sicher gehen.
»Ich hätte da eine viel bessere Idee!«
Die Verabschiedung von Armin hatte erwartungsgemäß viel Zeit in Anspruch genommen. Der gutmütige Kerl hatte das Abfackeln seiner Scheune mit der typischen stoischen Haltung der Menschen dieser Gegend zur Kenntnis genommen und uns sogar noch etwas Proviant für den Weg eingepackt, eine Flasche Enzianschnaps eingeschlossen, die ich aus Sicherheitsgründen im Kofferraum verstaut hatte. Miranda hatte ein paar bittere Tränchen verdrückt, doch es war klar, dass sich die beiden wiedersehen würden.
Ich hatte die kürzeste Strecke nach Gstaad gewählt, doch auf einem Parkplatz in Zweisimmen legten wir einen Zwischenhalt ein. Eistee trinkend, den wir im nahe gelegenen Café Pony kauften, lehnten wir uns zu dritt an den Käfer und warteten ab. So lange, bis sich auf der Hauptstraße endlich ein Automobil mit holländischer Nummer und angehängtem Wohnwagen näherte. Wie zuvor abgesprochen, schickte sich Miranda sofort an, die Straße zu überqueren, und während die Touristen abbremsten, näherte sich Joana rasch dem Anhänger und klebte das verräterische und mittlerweile frisch geladene iPhone mit Gaffertape an dessen Unterseite. Der Köder war ausgelegt und mit etwas Glück folgten unsere beiden Widersacher dem Wagen bis nach Holland.
Mit seinen Holzchalets erinnerte Gstaad auf den ersten Blick an das Hüttendorf, das jeweils zur Weihnachtszeit im Zürcher Hauptbahnhof errichtet wurde und mit Glühweinständen, Lebkuchenherzen und Raclettehäuschen heimelige Gemütlichkeit vorgaukelte. Auf den zweiten Blick fiel auf, dass bis auf das hinterletzte Haus alles im selben Baustil gehalten war. Allmählich begann ich mich zu fragen, ob die Berner nebst dem Geraniendiktat in der Hauptstadt und dem Chaletzwang in Gstaad noch andere Bereiche des öffentlichen oder privaten Lebens derart obsessiv geregelt hatten.
So malerisch das Dorf in der Fußgängerzone auch wirkte – die dort eingemieteten Markengeschäfte machten deutlich, auf welch gut betuchte Kundschaft man hier ausgerichtet war. Genauso wenig täuschten die urchigen Holzfassaden der Häuser darüber hinweg, dass sie längst keine bescheiden eingerichteten Bauernstübchen mit niedrigen Decken und Holzheizung mehr beherbergten, sondern mit luxuriösesten Inneneinrichtungen sowie Pools, Billardräumen und Heimkinos ausgestattet waren.
Entsprechend wohnten auch immer weniger Einheimische hier. Die Mieten und Verkaufspreise waren exorbitant hoch geworden und der Nobelort drohte, in der Zwischensaison zum Geisterdorf zu verkommen.
Andrea Tschanz wohnte in einer abgeschirmten Liegenschaft an der Alpinamatte. Vom mannshohen Aluminiumtor aus überblickte man eine steril wirkende Rasenfläche mit perfekt gestutzten Koniferen und einen gerechten Kiesweg, an dessen Ende gerade mal das Dach und das oberste Stockwerk des Chalets aufragten, denn das Haus – wie so viele hier – war an einen Hang gebaut.
Frau Tschanz machte keine Anstalten, mich reinzulassen, und ihre Antworten, die verrauscht aus den schmalen Schlitzen der Gegensprechanlage drangen, blieben distanziert.
»Sie kommen nicht nur ungelegen, sondern auch viel zu spät«, erklärte sie kühl. »Nach dem Tod meines Mannes vor fünf Jahren habe ich seine Sachen räumen lassen.«
»Sind Ihnen da Ordner aufgefallen? Ein gutes Dutzend, in spanischer Sprache beschriftet.«
»Nein.«
»Vielleicht im Keller?«
»Mein Mann hatte da unten so viel Ramsch gebunkert … wahrscheinlich waren da irgendwelche Ordner, aber genau erinnern kann ich mich nicht. Wäre das dann alles? Ich habe zu tun.«
Fieberhaft dachte ich nach. »Was hat Ihren Mann, Ihrer Meinung nach, in den Selbstmord getrieben?« Auch wenn mein Auftrag in einer Sackgasse endete – ein wenig herumstochern ging immer. »Er hatte doch alles: genügend Geld, ein Kind, eine hübsche Frau …«
»Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.«
»Hat es mit dem Kinderhandel in Spanien zu tun?«
»Davon weiß ich nichts.«
Der strikte Unterton in ihrer Stimme verriet mir, dass sie log. Irgendetwas
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