Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
ertappt fest, da brach wohl der Schweizer in mir durch. Galten wir Eidgenossen doch als fleißig, pünktlich und arbeitsam, während uns andere Völker, die nicht nach diesen hehren Prinzipien lebten, zutiefst suspekt waren.
Ich stopfte mir die restlichen Churros rein, obschon mir leicht übel war von der Überdosis Zucker und Fett, und wischte mir die Hände an einer Papierserviette ab, die ich im Anschluss zerknüllte und auf geradezu skandalös unschweizerische Art einfach auf den Boden fallen ließ.
»Fiona lässt grüßen«, meldete José, als er zurückkehrte, und nahm wieder auf seinem Barhocker Platz. »Du sollst aufpassen, dass ich keinen Unsinn mache.«
»Hattest du das vor?«
»Natürlich nicht«, murmelte er, doch mich konnte er nicht so leicht täuschen.
»Ich erinnere mich, was du gestern über dein Sexualleben preisgegeben hast …«
»Ich hab bloß diskret darauf hingewiesen, dass es inexistent ist«, präzisierte José grantig.
»Hast du mit Fiona darüber geredet?«
»Natürlich nicht.«
»Das könnte eventuell die Lage entspannen.«
» Hombre, ich weiß nicht. Irgendwie hat es keinen Zweck. Wenn es um Beziehungen geht, sind uns Frauen nun mal überlegen. Sie verfügen über eine Art Geheimwissen, einen siebten Sinn, während wir wie Trottel danebenstehen und staunen.«
»Das ist nichts Neues. Ich verstehe aber nicht ganz, worauf du hinauswillst.«
» Oye, es fängt doch schon beim ersten Date an. Du rackerst dich ab, gibst dein Bestes und zeigst dich von deiner Schokoladenseite, aber ob du sie am Ende küssen darfst oder sogar mehr, das weiß nur sie. Und zwar schon bevor sie sich auf den Weg zum Treffpunkt macht.«
»Gut, Männer sind simpler gestrickt und wollen eh nur das Eine. Uns zu durchschauen, ist wirklich keine Kunst.«
»Aber das geht dann so weiter, ein Leben lang. Ob und wann man ein Paar wird, zu welchem Zeitpunkt man zusammenzieht, ob und wie viele Kinder man kriegt – Frauen wissen all das, bevor uns überhaupt nur der Gedanke kommt. Sie sind uns immer einen Schritt voraus, mindestens! Mit Sex verhält es sich genauso. Es ist Freitag und du denkst, jetzt ist es wieder mal so weit …«
»Ihr habt nur an bestimmten Tagen Sex?«, unterbrach ich José verblüfft.
»Das war natürlich nur ein Beispiel! Was ich damit sagen wollte: Nur sie weiß, ob es dazu kommt. Sie weiß es übrigens schon am Montag.«
»Und deswegen willst du nicht mit Fiona darüber reden?«
»Genau. Eine Diskussion wäre sinnlos, weil eh schon alles abgekartet ist. Frauen können irgendwelche Signale aus dem All empfangen und folgen einer kosmischen Weltordnung, deren Code wir Männer einfach nicht knacken können, so sehr wir uns auch anstrengen.«
»Jetzt übertreibst du aber!« Ich musste lachen, obwohl ich nur zu gut wusste, wovon José sprach. »Vielleicht solltest du aufhören, diese Beziehungsratgeber zu lesen.«
»Woher weißt du …?«
»Hotelzimmer, Nachttisch. Als du vorhin Zähne geputzt hast und ich auf dich gewartet habe.«
»Verdammter Schnüffler! Aber wie auch immer. Sie wird mich wissen lassen, wenn sie bereit ist. Aber reden wir lieber von dir. Was hast du da gestern angetönt?«
»Ohne Carajillo sage ich nichts.« Ich bestellte beim Kellner zwei Espressi mit Brandy.
Während ich ihm zusah, wie er den Schnaps mit einem Stück Zitronenschale und ein paar Kaffeebohnen erhitzte, überlegte ich fieberhaft, wie ich das Gespräch mit José hinauszögern konnte. Manjus Bedingung, die sie für unsere Beziehung gestellt hatte, war eine Sache zwischen ihr und mir und eigentlich verspürte ich wenig Lust, sie zu diskutieren. Wie José richtig festgestellt hatte: Frauen waren uns stets einen Schritt voraus und wussten ganz genau, für was die Zeit wann reif war.
Andererseits rührte mich Josés Offenheit. Sie zeigte mir nicht nur, wie sehr er mir immer noch vertraute, sondern dass unsere Freundschaft auf einem soliden Fundament gebaut war und auch Phasen überstand, in denen wir uns nicht so häufig sahen.
Der Barmann zündete den Brandy an, bevor er ihn mit heißem Espresso übergoss, sofort stellte er dann die beiden Tässchen vor uns auf den Tresen. Auf der dampfenden Flüssigkeit waberte noch immer eine blaue Flamme.
»Zum Wohl!«, sagte ich.
»Salud!« José grinste und blies in den Kaffee, bevor er ihn hinunterkippte. Er schüttelte sich. »Und jetzt zur Sache!«
Ich nippte an meinem Carajillo und spielte auf Zeit.
»Nun mach schon!«
»Okay, Manju und ich haben … also
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