Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
eigentlich war es eher Manju …«
» Chicos, da seid ihr ja!«, ertönte in diesem Moment Mónicas Stimme hinter uns. Ihr Timing hätte perfekter nicht sein können. Vor Erleichterung wäre ich ihr beinahe um den Hals gefallen. Nicht so José, der seiner Exfreundin einen vernichtenden Blick zuwarf, bevor er mich fixierte. Diesmal kommst du noch davon, besagte seine Miene, aber ich komme auf das Thema zurück, darauf kannst du dich verlassen.
»Was ist denn mit euch los?«, fragte Mo verwundert.
»Männergespräch«, brummte José.
»Oje.« Unbekümmert zog sie einen Barhocker heran und ich rückte etwas zur Seite, damit sie sich zwischen uns setzen konnte.
»Gibt’s was Neues?«, erkundigte ich mich.
Mo roch frisch nach Seife und einem blumigen Parfüm, ihre Hände skizzierten kubistische Umrisse in die Luft, während sie sprach. »Nichts. Ich hab noch mal mein ganzes bisheriges Recherchematerial durchgearbeitet, doch ich habe darin keinen einzigen Hinweis gefunden, wo sich Sánchez aufhalten könnte. Dann hab ich mit der Geschäftsstelle des Telefonanbieters gesprochen, doch die rücken keine Adressen raus, nicht einmal, wenn es sich um einen Verbrecher handelt. ›Unser Geschäftsprinzip‹«, äffte Mo ihre Gesprächspartnerin nach und brach in Gelächter aus: »Ich hab ihr dann gesagt, wohin sie sich ihre Geschäftsprinzipien stecken kann. Es ist wohl klüger, ich rufe da nicht so bald wieder an.«
»Gibt es einen anderen Weg, die Adresse rauszufinden? Durch die Polizei vielleicht?«
» No way. Die schützen den Mistkerl eher noch, als dass sie ihn der Justiz ausliefern. Das hat die Vergangenheit deutlich gezeigt. Nein, wenn wir den erwischen wollen, müssen wir das auf eigene Faust schaffen.«
»Aber wie?«
»Keine Ahnung.« Mo rührte Zucker in ihren Espresso und trank ihn in kleinen Schlucken. »Aber es muss irgendwie zu schaffen sein, schließlich haben wir es hier mit einem alten, kranken Mann zu tun …«
Ich stutzte. Auch Schwester Alma hatte erwähnt, dass Sánchez krank sei.
»Was hat er denn eigentlich?«
»Ach, irgendein Nierenleiden. Insuffizienz oder so. Die hat er seit Jahren und muss deshalb regelmäßig …«
»… zur Dialyse?« Wie elektrisiert richtete ich mich auf.
»Genau! Woher …?«
»Das heißt, wenn er in der Zwischenzeit keine neue Niere erhalten hat, muss er regelmäßig da hin. Wie oft macht man das?«
»Etwa drei Mal die Woche, soviel ich weiß. Der Patient wird dazu an einen sogenannten Hämodialysator angeschlossen, durch den dann das Blut bis zu fünfzehn Mal pro Sitzung geschleust und dabei von Giftstoffen befreit wird. Ich hab mal einen Artikel darüber geschrieben. Wieso bist du plötzlich so aufgeregt?«
Ich war aufgesprungen und lief vor der Theke auf und ab, da es mir mit einem Mal schwergefallen war, still zu sitzen.
»Weil im Hospital El Divino Niño ein Dialysepatient ausgerufen wurde, während wir auf die Audienz bei Oberschwester Maria gewartet haben. Was läge also für Sánchez näher, als sich in einem auf Organtransplantationen spezialisierten Spital behandeln zu lassen? Wenn er tatsächlich noch keine neue Niere erhalten hat, wartet er sehnsüchtig auf eine. Außerdem ist es das einzige Spital weltweit, in dem man ihn auf gar keinen Fall vermuten würde. Darüber hinaus hat er in Schwester Maria eine treu ergebene Verbündete, die wahrscheinlich so ziemlich alles für ihn tun würde.«
Mit offenen Mündern starrten mich Mo und José an.
»Los! Los!« Flink warf ich ein paar Euroscheine auf den Tresen und wandte mich zum Gehen. »Was glotzt ihr immer noch so blöd? Wir fahren da hin! Jetzt!«
Ein altersschwacher Ventilator rotierte leise scheppernd gegen die abgestandene Luft in der Eingangshalle an. Das El Divino Niño machte an diesem Samstagmittag einen noch weniger belebten Eindruck als bei meinem letzten Besuch. Eine scharfe Note nach ätzenden Chemikalien stach mir in die Nase, sobald ich mich dem Kabäuschen neben dem Eingang näherte.
Maria saß gähnend hinter dem offenen Schiebefenster des Empfangs und bemalte ihre Fingernägel mit fuchsiafarbenem Lack. Lässig stützte ich einen Ellbogen auf den Tresen und beobachtete sie, bis sie den Pinsel sinken ließ und unwillig aufsah.
»Hola!«
Ein Strahlen breitete sich auf Marias hübschem Gesicht aus. »Hola Muchacho!« , rief sie erfreut aus. »Diesmal ohne deinen Freund unterwegs?«
»Sieht ganz danach aus.«
»Interessant.« Maria beugte sich etwas vor, sodass ich keine andere
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