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Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Titel: Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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Zierpflanzen stand.
    Nachdem die Aufregung auf der Hinfahrt Miranda und Joana kurzzeitig verbündet hatte, schlich sich nun erneut eine angespannte Stimmung ein, und obschon Miranda immer wieder einen Versuch unternahm, ihre Tochter in ein Gespräch zu verwickeln, antwortete diese weiterhin einsilbig und machte einen abwesenden Eindruck. Sobald wir aber von der Straße unter die Lauben wechselten, diesen geradezu pittoresken Gängen hinter den Sandsteinbögen, die entlang der Häuserzeilen verliefen und Zugang zu kleinen Geschäften boten, taute sie etwas auf. Und als sie einen winzigen Accessoireladen entdeckte, der handgearbeitete Taschen anbot, sah ich sie zum ersten Mal lächeln. Sie hatte tatsächlich mehr von ihrem Vater, als sie sich momentan bewusst war. Sie brauchte nur etwas Zeit, um sich an die Umstände zu gewöhnen.
    Ich bot den beiden Damen an, sich ein bisschen die umliegenden Läden anzusehen, während ich Grüningers Wohnung einen Besuch abstattete. Begeistert stimmten sie zu und nachdem ich mich mit ihnen im nahe gelegenen Einstein Kaffee verabredet hatte, ließ ich sie vertrauensvoll in der Obhut einer Schmuckverkäuferin zurück. Plötzlich allein, beschleunigte ich meine Schritte, doch bereits nach wenigen Metern stieß ich fast einen älteren Mann um. Er war meines Erachtens abrupt stehen geblieben, doch als ich mich, eine Entschuldigung murmelnd, an ihm vorbeischlängelte, fiel mir auf, dass er sich vorwärtsbewegte, und das vermutlich schon die ganze Zeit getan hatte. Allerdings unvorstellbar langsam.
    Da wir den Käfer im Parkhaus beim Bahnhof stehen gelassen hatten, hatte ich es nicht sofort bemerkt, denn neuerdings gab man sich in weiten Teilen Berns genauso geschäftig wie in anderen Schweizer Städten – im Bahnhof selbst hatte ich zu meinem großen Erstaunen sogar rennende Leute gesehen –, doch hier in der Altstadt bestätigte sich das Klischee von der sprichwörtlichen Gemütlichkeit: Die Berner bewegten sich zu Fuß mit der weltweit wohl niedrigsten Durchschnittsgeschwindigkeit. Tatsächlich glaubte ich sogar, zwei, drei Fälle von akuter Narkolepsie entdeckt zu haben, während ich mich im Zickzacklauf der Hausnummer von Grüningers Heim näherte und mir dabei vorkam wie in einem antiquierten Computerspiel, bei dem man auf dem Weg zum Ziel reglosen Objekten ausweichen musste.
    Das opulente Wohnhaus aus dem sechzehnten Jahrhundert schien mit den beiden nächstliegenden Gebäuden der Zeile verwachsen. Die nüchterne Fassade aus Sandstein war frisch renoviert, über den hohen Fensterbögen thronten Fresken, goldfarbene Metallornamente zierten die Balkongeländer. Der Eingang mit seiner schweren Holztür lag verborgen im Schatten der Lauben.
    Annemarie Morlot, deren Name auf dem Klingelschild aus Messing direkt neben dem von Tschanz aufgeführt war, ließ mich warten. Natürlich hatte ich zuerst beim Arzt selber geklingelt, doch dieser war wenig überraschend nicht zu Hause. Seine Nachbarin war meine nächste Anlaufstelle gewesen, denn meiner Erfahrung nach waren die Nachbarinnen dieser Welt immer bestens darüber informiert, was in einem Haus abging, und hatten selbst dann etwas zu erzählen, wenn es eigentlich nichts zu sagen gab. Endlich knackste es im Lautsprecher und eine nasale Stimme wollte wissen, wer da sei.
    Ich hatte mich zu einer Strategie der Ehrlichkeit entschlossen, in diesem Fall war eindeutig schon genug gelogen worden.
    »Ein Privatdetektiv?« Frau Morlot klang, als hätte ich ihr eine Handvoll Filzläuse unter die Nase gehalten.
    Ich erklärte ihr erneut, weshalb ich sie unbedingt sprechen musste, doch der Türöffner summte erst nach einer längeren Pause, während der ich schon befürchtet hatte, sie hätte sich gegen mich entschieden.
    Es roch nach Farbe und das Holzgeländer im Treppenhaus glänzte wie poliert. Auf jeder Etage befanden sich zwei Apartments, der Raum dazwischen war geräumiger und stilvoller als manche Wohnung, die ich kannte.
    Frau Morlot stand mit einer Miene im Türrahmen, als wäre ihr soeben etwas äußerst Ärgerliches widerfahren. Ihr Lippenstift war einen Tick zu rot für ihr Alter und die lila gefärbten Locken hatte sie mit Haarspray zu einem betonharten Baiser hochtoupiert. Sie trug ein dunkelgrünes Kostüm, das ihr eine mondäne Aura verlieh, dazu eine wuchtige Perlenkette und mit funkelnden Rubinen besetzte Ohrstecker.
    »Vijay Kumar, Privatdetektiv«, stellte ich mich ein zweites Mal vor. »Danke, dass Sie sich die Zeit

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