Family Affairs - Verbotenes Verlangen
so, als wäre alles in bester Ordnung. Dabei ging ihr der Arsch auf Grundeis, allein beim Gedanken an das bevorstehende Gespräch mit ihrer Mutter. Sie hatte keine Ahnung, was sie ihr sagen sollte, keine Strategie, die ihr dabei helfen konnte, die anstehende Konfrontation besser zu überstehen. Dass es Ryan so gar nicht berührte, Leanne bald wieder zu begegnen, machte es auch nicht besser. Über den Spiegel hinweg kreuzten sich ihre Blicke.
„Macht es dir denn gar nichts aus, sie heute zu sehen?“
Es wurmte sie, dass er so unbeteiligt wirkte, doch ein leichtes Zucken an seiner Wange verhieß etwas anderes. Ryan war längst nicht so gelassen, wie es den Anschein hatte. Er konnte es nur besser verbergen als sie. Mit einer flüssigen Bewegung erhob er sich und ignorierte das erboste Fauchen ihrer Katze, weil die liebevolle Behandlung ein so jähes Ende fand. Mit wenigen Schritten war er bei ihr und positionierte sich hinter ihrem Rücken, seine Hände legten sich schwer auf ihre Schultern. Automatisch lehnte sie sich an seine Brust und spürte gleich darauf, wie er sein Kinn auf ihrem Scheitel abstützte.
„Wie praktisch für ihn, dass ich ihm kaum bis an die Schulter reiche“, dachte sie leicht schmollend.
„Chloe, natürlich lässt es mich nicht kalt. Immerhin war ich monatelang mit ihr zusammen und wollte sie sogar heiraten“, fing er an.
Sie versteifte sich unwillkürlich.
„Jetzt krieg das nicht wieder in den falschen Hals. Ich liebe sie nicht mehr, aber das bedeutet nicht, dass ich gar nichts mehr für sie empfinde. Sie tut mir einfach leid, weil sie durch ihre Lügen ihr ganzes Leben verpfuscht hat. Mehr nicht.“
Chloe verzog unglücklich die Mundwinkel und fühlte keinerlei Triumph, weil sie ihre Mutter endgültig überflügelt hatte. Zumindest, wenn es um Ryan ging.
„Mitleid ist was furchtbares, geradezu erniedrigend“, stellte sie sehr leise fest und fragte sich das erste Mal überhaupt, wie es Leanne jetzt gehen mochte. Sie hatte auf einen Schlag alles verloren. Nicht nur den Mann, den sie geliebt hatte und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nach wie vor liebte, sondern sie hatte auch das Band zu ihren Kindern – so zerbrechlich es auch gewesen war – irreparabel beschädigt.
Ein scharfer Schmerz zog an ihren Eingeweiden, weil die Vorstellung, dass sie mutterseelenallein in ihrer Wohnung saß und womöglich über ihren eigenen Fehlern verzweifelte, wie eine bösartige Klauenhand an ihr riss. Gleich darauf wurde sie wütend auf sich selbst und versuchte, ihre unerbittliche Haltung aufrechtzuerhalten. Leanne verdiente weder Mitleid noch Sorge. Dafür hatte sie in ihrem Leben selbst zu wenig davon gezeigt.
„Lass uns fahren, ich würde es gerne so schnell wie möglich hinter mich bringen, damit wir endlich ein neues Leben beginnen können.“
Obwohl sie sich den Anschein von Coolness gab, bekam Chloe feuchte Hände, als sie an der Wohnungstür ihrer Mutter klingelte. Sie hatte Angst, einer in Tränen aufgelösten Leanne gegenüberzustehen, gezeichnet vom Kummer, doch Leanne gehörte zu jenen Frauen, denen nicht mal Elend und Sorgen etwas anhaben konnten. Sie sah wie immer atemberaubend aus, als sie nach dem ersten Klingeln öffnete, als hätte sie schon hinter der Tür auf Chloes Ankunft gelauert.
„Können wir reinkommen?“, fragte sie steif.
Leanne trat zurück, ihr Blick glitt unstet zwischen Chloe und Ryan hin und her, der ihr freundlich zunickte. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, sie verzichtete jedoch darauf, die knappe Begrüßung mit ihrer typisch überschwänglichen Art zu erwidern, sondern hielt sich ungewöhnlich zurück.
„Kommt doch rein, ich habe euch schon erwartet“, murmelte sie leise und drehte ihnen den Rücken zu, um durch den Flur voraus ins Wohnzimmer zu gehen. Ihre Haltung dabei war nicht anders als königlich zu nennen. Die Schultern gerade, den Kopf hoch erhoben, wirkte sie keineswegs wie jemand, der bei irgendjemandem Abbitte leisten musste. Chloe war irritiert und warf einen Hilfe suchenden Blick zu Ryan, der ihr beruhigend zulächelte und nach ihrer Hand fasste.
„Komm, so schlimm wird es nicht werden“, raunte er ihr zu und drückte ihre eisigen Finger. Seine Wärme ging auf sie über und breitete sich wie ein mäßigender Teppich über ihrem überreizten Nervenkostüm aus.
„Hoffentlich behältst du recht“, erwiderte sie ebenso leise.
Leanne stand mitten im Raum, als sie sich zu ihr gesellten, und deutete auf die breite
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