Family Affairs - Verbotenes Verlangen
Umgebung.
Ganz offensichtlich handelte es sich hier um einen unbewohnten Teil des Hauses. Sämtliche Möbel waren mit weißen Tüchern verhängt, um sie gegen den lästigen Staub zu schützen. Sie wirkten auf Chloe wie einsame Statisten in einem Stummfilm, schweigsame Gestalten in einer surreal anmutenden Atmosphäre. Es war totenstill. Alles, was sie hören konnte, waren ihre Schritte und das knarrende Ächzen von Holz, sobald sie das Gewicht verlagerte. Sie unterdrückte die Enttäuschung und seufzte, da es hier nichts Besonderes zu sehen gab. Was hatte sie eigentlich erwartet? Etwa einen verwunschenen Prinzen, der schlummernd auf einer Chaiselongue ruhte und darauf wartete, von einer tapferen Prinzessin vom Fluch des hundertjährigen Schlafes erlöst zu werden? Sie war schon drauf und dran, den Raum schleunigst zu verlassen, als etwas in der Ecke, nahe beim Fenster, ihre Aufmerksamkeit erregte.
Leicht erhöht auf einem Absatz stand eine Statue. Das Laternenlicht von außen erhellte die bleichen Konturen der Figur, und Chloe wunderte sich, dass sie das Kunstwerk jetzt erst bemerkte. Sie trat neugierig näher heran, bis sie nur eine Armeslänge davon entfernt zum Stillstand kam. Mit leicht geneigtem Kopf betrachtete sie die liebevoll geschliffenen Körperlinien, die einen eindeutig weiblichen Körper formten. Ihre Finger zuckten, weil sie gerne herausgefunden hätte, ob sich dieser kalte Stein unter ihren Händen erwärmen könnte.
Irgendetwas Merkwürdiges geschah mit ihr, während ihre Augen über die Skulptur hinwegflogen. Ob es an den drei Gläsern Champagner lag, die sie innerhalb kürzester Zeit hinuntergestürzt hatte, oder an der ständig schwelenden Erregung, die sie seit einigen Tagen nicht mehr loslassen wollte, wusste sie nicht. Doch beim Anblick dieses aus Stein gehauenen Weibes ballte sich in ihrem Bauch eine gewaltige Hitze zusammen. Chloes Augen verschlangen die vollen Brüste, sie fühlte eine prickelnde Unruhe in sich anwachsen. Obwohl sie nicht auf Frauen stand, spürte sie beim Anblick dieser sinnlichen Formen ein unleugbares Aufbäumen von Lust in ihrem Körper. Sie wollte diese starren Erhebungen mit ihren Händen umspannen, sie streicheln. Ihre rechte Hand entwickelte ein Eigenleben und hob sich. Schon lagen ihre Fingerspitzen leicht auf dem hellen Untergrund, strichen neugierig darüber hinweg, doch bevor sie die steinerne Rundung ganz umfassen konnte, ertönte in ihrem Rücken eine verärgerte Männerstimme.
„Was machen Sie da?“
Mit einem erstickten Keuchen drehte sie sich um, unendlich peinlich berührt, weil man sie dabei erwischt hatte, wie sie einen toten Gegenstand betatschte. Zuerst konnte sie nicht viel erkennen, denn das Licht erhellte nur den hinteren Teil des Zimmers, in dem sie stand. Er selbst blieb im Schatten, und alles, was sie wahrnehmen konnte, waren die Umrisse eines hochgewachsenen Männerkörpers.
Betreten versuchte sie, einen vernünftigen Satz herauszubekommen, doch anstatt einer plausiblen Begründung für ihre Anwesenheit hier brachte sie lediglich ein peinliches Stammeln zustande: „Ich … also …“
Sie brach ab, ehe ihr wirres Gestotter noch schlimmere Ausmaße annehmen konnte, und empfand eine gewisse Hilflosigkeit, weil der Fremde keinerlei Anstalten machte, näherzukommen. Seine Identität blieb weiterhin ein Mysterium, doch statt der Angst, die sie eigentlich hätte empfinden müssen, verspürte sie nur ein angenehmes Flattern in der Magengegend.
„Wer sind Sie, und wie kommen Sie hier herein?“
Sein Tonfall blieb schneidend. Er war ganz offensichtlich wenig begeistert von ihrer Anwesenheit.
„Nun ja, durch die Tür, nehme ich an“, meinte sie. „Ich …“
Ihr Versuch, witzig zu sein, scheiterte schon beim ersten Anlauf, denn er schnitt ihr einfach das Wort ab.
„Ihnen ist wohl nicht klar, dass dieser Teil des Hauses für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist.“
Oh, er war böse … doch obwohl er sich ziemlich ruppig gab, hatte allein schon das Timbre seiner Stimme eine verheerende Wirkung auf sie. Rau, fast schon kratzig flossen die Worte aus seinem Mund. Ein verräterisches Klopfen in ihrer Mitte setzte ein und wurde stetig heftiger, lauter. Ihr Körper schrie nach ihm. Lieber Himmel, sie musste sich wirklich unter Kontrolle bekommen, bevor das hier ausartete.
„Gnädigste.“ Sein Ton war unendlich blasiert. „Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber es ist nicht sonderlich höflich, sich in vornehmes Schweigen zu
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