Family Affairs - Verbotenes Verlangen
mit mühsam erhobenem Kopf – durch die pikanten Gewässer der europäischen Kunstszene. Wer immer diesen talentierten Chinesen unter Vertrag genommen hatte, konnte sich auf die Schultern klopfen und entspannt dabei zusehen, wie die kunsthungrige High Society von London, Paris oder Madrid ihn hochleben ließ.
Chloe musste lächeln, als sie sich die maßlose Enttäuschung ihrer Freundin Amber in Erinnerung rief, sobald sie den Chinesen zu Gesicht bekommen hatte. Der kleine Asiate entsprach so gar nicht ihrer Vorstellung von einem romantischen Liebhaber. Der Gute war schon weit in den Vierzigern und recht zierlich gebaut für einen Mann. Ernüchtert hatte sich ihre liebeshungrige Freundin ein anderes Opfer gesucht und war mit einem knackigen Kunststudenten verschwunden. Beth hingegen war schon vor über einer Stunde abgetaucht und seitdem wie vom Erdboden verschluckt. Chloe hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wo sie gerade steckte.
So schnöde alleingelassen, vertrieb sie sich die Zeit, indem sie die anwesenden Männer begutachtete, nur um frustriert festzustellen, dass keiner sie auch nur ansatzweise reizte.
Adieu One-Night-Stand …
Offenbar war es ihr einfach nicht vergönnt, einen heißen Kerl für gewisse Stunden zu finden. Es war zum Mäusemelken, dabei verspürte sie schon seit etlichen Tagen ein unerträglich kitzelndes Kribbeln im Unterleib, das sich auch vom unermüdlichen Einsatz ihrer Finger nicht eindämmen ließ. Es kam ihr so vor, als hätte die Nachricht von der bevorstehenden Hochzeit ihrer Mutter etwas in ihr freigesetzt, das sie nicht kontrollieren konnte. Was sie dringend brauchte, war die Berührung eines Mannes. Eine warme Hand, die sich tastend den Weg unter ihren Rock bahnte, ihn hochschob und mit einer einzigen herrischen Bewegung ihre feuchtwarmen Schenkel teilte …
Als ihr klar wurde, in welche Richtung ihre Gedanken gerade abschweiften, versuchte sie, sich ein wenig zusammenzureißen, um sich nicht in aller Öffentlichkeit zu blamieren.
So bewegte sie sich ziellos weiter, starrte auf unzählige gut frisierte Köpfe, auf Münder, die sich bewegten, die lachten oder verführerische Worte für ihr Gegenüber formten. Leise Musik begleitete diese illusorische Szenerie aus vorgetäuschtem Kunstverstand und harmonischem Miteinander, während hintenrum wie immer gelästert wurde. Sie konnte dieses falsche Getue kaum noch ertragen und wollte raus hier. Unbeachtet schlüpfte sie durch eine der Flügeltüren und fand sich mutterseelenallein in einem langen Flur wieder. Soweit Chloe informiert war, handelte es sich bei den Besitzern des Hauses um einen entfernten Zweig der Linie von Jane Seymour, der dritten von sechs Ehefrauen König Heinrichs des Achten. Es reizte sie ungemein, ein Gebäude zu erforschen, das allein durch die überstandenen Zeitepochen seine ganz eigene Geschichte erzählen konnte.
Neugierig sah sie den Flur entlang, in dem sie sich gerade befand. Der Boden war mit einem weinroten Teppichboden bedeckt, die Wände mit üppig geprägten Goldledertapeten überzogen, wie sie vor allem im 17. Jahrhundert üblich gewesen waren. Eine Ahnengalerie hing auf der rechten Seite und zeigte die in Gold gerahmten Gesichter der schon lange verstorbenen Seymours. Sie wurden zu Lebzeiten prachtvoll gewandet auf Leinwand gebannt, damit sie auch den nachfolgenden Generationen in Erinnerung blieben.
Chloe war beeindruckt, als sie die in Öl verewigten Adeligen der Reihe nach betrachtete, die mit ihren starren Augen hochnäsig auf sie hinuntersahen, und fühlte eine gewisse Demut in sich aufsteigen, während sie ganz langsam einen Fuß vor den anderen setzte und schließlich am Ende des Ganges stehen blieb. Eine verschlossene Tür versperrte den Weg.
Jetzt wäre der passende Zeitpunkt gewesen, um sich auf dem Absatz umzudrehen und wieder zurück zu den anderen Gästen zu gehen, doch anstatt diesem durchaus vernünftigen Impuls zu folgen, drückte sie wie von einem fremden Willen gesteuert die Klinke herunter und fand sich in einem dunklen Raum wieder. Er wurde vom einfallenden Licht des Mondes und einer direkt vor dem Fenster stehenden Laterne so ausreichend erhellt, dass eine zusätzliche Beleuchtung gar nicht notwendig wurde. Also verzichtete sie darauf, das Licht einzuschalten und ging ein paar Schritte, bis sie mitten in einem hellen Lichtkreis stand, der von draußen auf den Boden geworfen wurde. Träge drehte sie sich um die eigene Achse und erkundete die visuellen Eigenheiten ihrer
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