Family Affairs - Verbotenes Verlangen
dunkle Trennscheibe, die gleich darauf surrend nach unten fuhr.
„Bringen Sie uns zurück zum Hotel“, wies er den Chauffeur an, der noch ein klassischer Vertreter seiner Zunft war, mit Uniform und Schirmmütze.
„Wie Sie wünschen, Mr. Turner.“
Chloe starrte am Kopf des Fahrers vorbei auf die stark befahrene Straße. Dieses Abendessen würde vielleicht genau das richtige Mittel sein, um sie wenigstens für ein paar Stunden von ihren peinigenden Erinnerungen an Ryan zu befreien. Tagsüber schaffte sie es ganz gut, ihn aus ihrem Kopf zu drängen, doch sobald die Wohnungstür hinter ihr zufiel, war sie ihren Sehnsüchten hilflos ausgeliefert.
Zwei Wochen war es bereits her, dass sie mit ihm geschlafen hatte, und er war in ihrem Kopf immer noch so präsent, als wären seitdem erst wenige Minuten vergangen. Weder ihn noch ihre Mutter hatte sie seit diesem verhängnisvollen Abend wiedergesehen, was außerordentlich hilfreich dabei war, ihren Alltag weiterhin normal zu bewältigen. Doch nachts, wenn sie allein in ihrem einsamen und kalten Bett lag und sich erregt hin und her wälzte, brach dieses wacklige Konstrukt aus Selbstverleugnung und mühsam unterdrückten Schuldgefühlen zusammen und quälte sie mit Vorwürfen.
Das Restaurant, das Ross Turner gewählt hatte, war eines der besten in der ganzen Stadt und ein Garant für kulinarische Sinnesfreuden. Chloes Gaumen prickelte in vorfreudiger Erwartung der exquisiten Köstlichkeiten, die ihr schon bald auf der Zunge zergehen würden. Wenn sie schon nicht den Mann bekam, den sie so unbedingt haben wollte, dann konnte sie sich ebenso gut den Bauch vollschlagen und fett werden. Doch statt mit den obligatorischen Eiscremepackungen, die seit dem desaströsen Ende ihres moralischen Aussetzers ihren Kühlschrank bevölkerten, wollte sie sich heute mit etwas handfesteren Speisen trösten und so ihrem Magen eine Auszeit von der Eiszeit gönnen. Das Restaurant von Marcus Wareing im Berkeley Hotel war ihrer Meinung nach dafür bestens geeignet, es besaß zwei Michelin-Sterne und spiegelte mit seiner kühlen Eleganz, die seiner illustren Gäste wider.
Selbstbewusst führte Turner sie am Ellenbogen durch die Tischreihen, bis sie an ihrem eigenen vorbestellten Bereich Platz nahmen. Er rückte ihr, ganz gentlemanlike, den Stuhl zurecht, ehe er sich ihr gegenüber setzte und sie mit einem außerordentlich warmherzigen Lächeln bedachte.
„Es freut mich, dass Sie Zeit für mich gefunden haben.“
Chloe war trotz seiner Nettigkeiten angespannt.
„Nun, wenn man so freundlich eingeladen wird, ist es schwer, Nein zu sagen“, erwiderte sie bedächtig, bemüht darum, auf nicht allzu vertraulichem Fuß mit ihm zu stehen.
Ross Turner betrachtete sie sinnend, fast schon ein wenig melancholisch.
„Erzählen Sie mir was über sich. Was machen Sie, wenn Sie keine Häuser an nervige Amerikaner verkaufen?“
Dass er jetzt Smalltalk halten wollte, passte nicht zu ihm. Irgendetwas stimmte hier nicht, das spürte sie ganz deutlich. Ross Turner war nicht der, der er vorgab zu sein, und Chloe war sich nicht sicher, ob sie herausfinden wollte, warum er so versessen darauf gewesen war, dass ausgerechnet sie – die Jüngste und Unerfahrenste im Team – ihn durch das reichhaltige Immobilienangebot Londons begleitete. Noch dazu lag stets so ein merkwürdiges Glitzern in seinen Augen, wenn er sie ansah.
„Möchten die Dame und der Herr einen Aperitif vor dem Essen?“
Die Stimme des Kellners schreckte Chloe aus ihren düsteren Gedanken auf und sie räusperte sich vernehmlich. Sie legte ein unverbindliches Lächeln auf und überdeckte damit die Nervosität, die langsam in ihr hochkriechen wollte. Einzig und allein ihre feuchten Hände und die aufgeregt zuckenden Knie unter der feinen blütenweißen Tischdecke verrieten nach außen hin etwas über ihren Gemütszustand.
„Ein Aperitif wäre wunderbar“, sagte sie gezwungen.
Ross Turners Stimme klang weit weg, während er auf ihren Wunsch hin für beide bestellte. Unbehaglich sah sie sich im Restaurant um und suchte gedanklich bereits eine Ausrede, um diesen Abend so schnell wie möglich zu beenden. Er war ihr trotz seiner tadellosen Manieren suspekt. Sie fühlte sich unwohl, weil sie nicht wusste, worauf das alles noch hinauslaufen würde.
Nachlässig wanderten ihre Blicke durch den ästhetisch eingerichteten Raum. Er war gut gefüllt, ein dezenter Geräuschpegel aus leisen Unterhaltungen, Gläserklirren und unaufdringlicher Musik
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