Family Affairs - Verbotenes Verlangen
sollte sie frech werden. Im nächsten Augenblick wunderte sie sich über ihre komischen Gedankengänge. Immerhin kannte sie diese Frau gar nicht, und sie fing schon an, sie geistig mit einem Mann zu verkuppeln, der ganz offensichtlich wenig Interesse am weiblichen Geschlecht zeigte, wenn sie die eine oder andere spitze Bemerkung ihrer Mutter richtig interpretiert hatte. Keine gute Basis für ein neues Traumpaar.
Chloe fragte sich im gleichen Atemzug, ob diese Paige wirklich so oberflächlich war, wie ihr Vater sie gerade darstellte. Oder war er einfach nur enttäuscht, weil sie sich nicht so verhielt, wie er es gerne gehabt hätte? Chloe beugte sich ein wenig vor und legte spontan ihre Hand auf die zusammengeballte Faust ihres Klienten, weil ihr seine betrübte Miene zu Herzen ging.
„Mr. Turner, gehen Sie nicht so hart mit Ihrer Tochter ins Gericht. Ihr fehlt wahrscheinlich einfach eine weibliche Bezugsperson, mit der sie sich ab und an austauschen kann. Möglicherweise könnte eine gute Freundin ein bisschen mäßigend auf sie einwirken, wenn sie es übertreibt. Warum reden Sie nicht mit einer von ihnen und bitten sie, ein Auge auf Ihre Tochter zu haben?“
Ross schüttelte den Kopf und betrachtete sinnend ihre ineinander verschlungenen Hände.
„Paige hat keine Freundinnen. Meine Tochter ist eine unglaubliche Schönheit, müssen Sie wissen. Meistens sind freundschaftliche Kontakte mit anderen Frauen daran gescheitert, dass deren Männer sich früher oder später an Paige herangemacht haben. Leider ist sie sehr empfänglich für Schmeicheleien, und ich will lieber nicht näher darauf eingehen, wie das in den meisten Fällen ausgegangen ist.“ Er nahm einen Schluck von seinem Martini und räusperte sich. „Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen all das erzähle. Sie müssen mich für einen schrecklichen Langweiler halten.“
Chloe schüttelte entschieden den Kopf.
„Nein!“, widersprach sie energisch. Seine offensichtliche Sorge um seine Tochter hatte all ihr Misstrauen schwinden lassen. Ein Mensch, der sein Kind trotz so vieler Fehler so offensichtlich liebte, konnte so schlecht nicht sein. „Mr. Turner, Sie sorgen sich um Ihr Kind. Ich finde das keineswegs langweilig, sondern sehr sympathisch.“
Chloe überlegte kurz und meinte dann spontan: „Warum holen Sie Paige nicht hierher, wenn Sie ohnehin vorhaben, für längere Zeit in England zu bleiben. London ist eine aufregende Stadt, sie würde ihren Kummer schnell vergessen, und Sie hätten gleichzeitig ein Auge auf sie.“
Turners Blick wurde eigentümlich.
„Chloe, Sie sind eine ausnehmend kluge junge Frau“, erwiderte er langsam und blickte ihr tief in die Augen. „Das ist eine ausgezeichnete Idee. Ich denke, ich werde Ihren Rat beherzigen und genau das tun.“
Froh darüber, dass das Eis zwischen ihnen ein wenig gebrochen war, lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück. Der Abend erschien ihr plötzlich gar nicht mehr so schrecklich, und sie beschloss, das Essen zu genießen. Ryan hin oder her. Unauffällig schielte sie an seinen Tisch und unterdrückte einen überraschten Laut. Weder Song Li noch er waren zu sehen. Die Stühle waren leer, und ein emsiger Kellner richtete den Platz bereits für die nächsten Gäste her.
Als Chloe drei Stunden später, nach einem wirklich angenehmen Abend in Ross Turners Gesellschaft, vor ihrem Badezimmerspiegel stand und sich die Reste des Make-ups vom Gesicht wusch, war sie gedanklich schon längst nicht mehr bei dem ungemein charismatischen Amerikaner, sondern dachte über Ryans plötzliches Verschwinden nach. Hatte er sie gesehen und fluchtartig das Restaurant verlassen, oder war sie ihm am Ende gar nicht aufgefallen? Immerhin war es möglich, dass die beiden Männer aus anderen Gründen die Lokalität verlassen hatten.
„Oh Mann, hör auf, an ihn zu denken, Chloe Carter!“, schimpfte sie laut.
Wütend warf sie den Wattebausch in das Waschbecken und schüttelte den Bademantel ab. Sie hatte sich trotz der späten Stunde noch ein Bad eingelassen, weil sie ohnehin nicht schlafen konnte. Nackt, wie Gott sie erschaffen hatte, tapste sie über den flauschigen Badezimmerteppich auf ihre Wanne zu. Diese war bis zum Rand mit herrlich warmem Wasser aufgefüllt, verfeinert mit einem betörend duftenden Badezusatz. Gerade als sie sich mit einem wohligen Seufzer hineinsinken lassen wollte, erschreckte sie das durchdringende Klingeln an ihrer Haustür fast zu Tode. Sie fing sich schnell, horchte und hoffte, dass
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