Family Affairs - Verbotenes Verlangen
der ungebetene Besucher von allein wieder verschwinden würde. Sie verspürte nicht die geringste Lust, nachzusehen, wer sie zu so unrühmlich später Stunde störte. Schließlich war sie nicht Lara Croft. Wenn da draußen ein Psychopath herumlungerte, hatte sie kaum Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen.
Ein erneutes Bimmeln. Nachhaltiger diesmal, dreimal kurz hintereinander, gefolgt von wilden Klopfgeräuschen. Chloe kaute heftig an ihren Lippen herum und zog ernsthaft in Erwägung, die Polizei zu rufen. Dann schalt sie sich einen Feigling und beschloss nachzusehen, wer da draußen ihre gesamte Nachbarschaft aus dem Schlaf riss. Sie warf den dunkelgrünen Seidenkimono wieder über und band ihn vorn fest zu. Auf leisen Sohlen schlich sie zur Tür, nicht ohne sich vorher ihren Regenschirm zu schnappen, der in einem silbernen Köcher neben der Schuhablage stand und dessen spitzes Ende sich durchaus als Waffe eignete. Damit fühlte sie sich sicherer.
„Wer ist da?“
„Ich bins, Ryan. Mach die verdammte Tür auf! Ich muss mit dir sprechen.“
Nach der anfänglichen Erleichterung war sie sprachlos und versucht, ihn einfach vor der Türe vergammeln zu lassen.
„Mir passt es gerade gar nicht.“
Sie bemühte sich ein Mindestmaß an Höflichkeit in ihre Stimme zu legen, obwohl er das keineswegs verdiente. „Vielleicht ein anderes Mal“, ergänzte sie lapidar, während sie dachte: „Never ever!“
Ein hämisches Lachen erklang von der anderen Seite.
„Stör ich dich gerade mit deinem Liebhaber, Chloe?“
Selbst durch die verschlossene Türe hindurch war seine Verachtung herauszuhören. Chloe hielt die Luft an. Also hatte er sie im Restaurant doch gesehen und sofort die falschen Schlüsse gezogen.
„Du redest Unsinn, Ryan. Geh einfach und lass mich in Ruhe.“
„Chloe, wenn du nicht sofort diese Tür öffnest, trete ich sie ein. Das ist mein Ernst.“
Mit einem unendlich entnervten Laut pfefferte sie den Schirm auf den Boden und riss die Eingangstür fast aus den Angeln.
„Na endlich“, knurrte er unhöflich und drückte sich ohne ihre Erlaubnis an ihr vorbei. Die Tür schmiss er einfach zu. Chloe zuckte bei dem lauten Knall zusammen, blitzte ihn wütend an und hielt gleich darauf die Luft an, weil er trotz seiner Verärgerung einfach unglaublich aussah. Sie hatte schon im Restaurant gemerkt, dass er sich ein schmales Oberlippenbärtchen hatte wachsen lassen, das sich bis über sein Kinn zog und seine Mundpartie auf sehr attraktive Weise einrahmte. Alles war sorgfältig zurechtgestutzt, die Länge entsprach kaum mehr als einem Dreitagebart. Es war so unfair, wie heiß er damit aussah. Verwegen und sexy. Nichtsdestotrotz ließ sie ihrer Wut über sein unangekündigtes Auftauchen freien Lauf.
„Sag mal, spinnst du?“, ereiferte sie sich. „Du kannst hier nicht einfach aufkreuzen, wann es dir passt, und mich beleidigen.“
Ohne ihr zu antworten, schob er sie rückwärts – Richtung Schlafzimmer. Sie taumelte nach hinten und bedachte ihn mit eisigen Blicken.
„Ich mache, was mir gefällt, Chloe. Das solltest du doch mittlerweile gemerkt haben.“
„Du bist ein Neandertaler, Ryan.“ Sie legte so viel Verachtung in ihren Tonfall, wie es ihr nur möglich war, obwohl sich vor Sehnsucht alles in ihr zusammenzog. „Ich frage mich wirklich, was meine Mutter in dir sieht, denn sie hat immer galante Männer mit Stil bevorzugt. Eine Eigenschaft, die dir völlig fehlt.“
Er ließ sich von ihren Worten nicht beirren und sah sich methodisch in ihrem beengten Flur um, der ihr durch seine Präsenz sogar noch winziger als sonst vorkam. Sein Augenmerk wurde besonders von ihrer Garderobe und der Schuhablage angezogen.
„Du scheinst allein zu sein.“ Er klang überrascht. „Ist dein Sugardaddy etwa schon gegangen? Ich muss schon sagen, ich hätte ihm mehr Stehvermögen zugetraut. Oder warten zu Hause Frau und Kinder auf ihn?“, fragte er mit mokantem Unterton. „Immerhin scheinst du dich ja auf gebundene Männer spezialisiert zu haben, wenn mich nicht alles täuscht.“
Dieser selbstgefällige Mistkerl!
„Dass ausgerechnet du mir Vorträge über Moral halten willst, finde ich schon bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass du mit der Tochter deiner zukünftigen Ehefrau geschlafen hast“, konterte sie scharf, ihre Gedanken überschlugen sich und wurden beeinträchtigt von der mühsam unterdrückten Wut, die brodelnd überzukochen drohte. Sie versuchte, sich den Anschein von Souveränität zu geben und
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