Family Affairs - Verbotenes Verlangen
Beth beinahe täglich unter die Nase zu reiben, was für ein exorbitant gut ausgestatteter und ausdauernder Liebhaber er doch war. Ihre Freundin war darüber untröstlich und hatte nicht nur ihre liebenswert durchgeknallte Art eingebüßt, sondern auch ihren Appetit. Sie verlor immer mehr an Gewicht und war seit dem Auftauchen ihrer verhassten Stiefschwester schon satte acht Kilo losgeworden, was ihr zwar durchaus gut zu Gesicht stand, aber Beth keineswegs aufmunterte. Chloe wollte ihre Freundin daher nicht auch noch mit ihrem desaströsen Liebesleben belasten.
Die letzte infrage kommende Möglichkeit sich abzulenken waren Ross und Paige. Doch auch die ließen sie schmählich im Stich und waren nicht greifbar. Ross hielt sich für eine ganze Weile geschäftlich außer Landes auf. Sämtliche Besichtigungstermine wurden demnach vorerst auf Eis gelegt, bis er wieder nach London zurückkehrte. Doch selbst nachdem er sich wieder in der Stadt befand, blieb er weiterhin derart eingespannt, dass er keine Zeit für Chloe aufbringen konnte. Weder zu Besichtigungszwecken noch in privatem Rahmen, sodass sie langsam das Gefühl bekam, dass er ihr aus dem Weg ging.
Paige hatte auch Besseres zu tun, als sich mit den kümmerlichen Resten von Chloes Selbstwertgefühl herumzuplagen. Sie leerte sämtliche Designerläden in London und trieb nebenbei Victor Seymour in den Wahnsinn, nachdem ihr Vater dessen Angebot, nach Seymour Manor zu ziehen, tatsächlich angenommen hatte. Dabei machte sie ihrem Ruf als unverschämte Zicke alle Ehre und hatte zudem einen Heidenspaß dabei, sich immer neue Gemeinheiten auszudenken, um diesen stockkonservativen Briten aus der Reserve zu locken. Bislang ohne großen Erfolg. Victor hielt sich zu ihrem Leidwesen wacker und ignorierte Paige mit einer Beharrlichkeit, die seinem weiblichen Folterknecht doch einigen Respekt abnötigte. Allerdings fand Paige ihn nun mal unwiderstehlich und sah es als die größte Herausforderung ihres Lebens an, ihn ins Bett zu kriegen. Was mit einem ungeheuren Zeitaufwand verbunden war.
Alles schien sich im Augenblick gegen Chloe verschworen zu haben, und allein vor sich hinzuleiden machte nun wirklich keinen Spaß. Sie versuchte sich mit den typischen Heißhungerattacken auf Eiscreme und Schokolade zu trösten, doch anstatt sich in ihrem Liebeskummer gebauchpinselt zu fühlen, nahm sie mehr an Gewicht zu, als sie davor verloren hatte. Schlussendlich war sie frustriert, weil sämtliche Hosen und Röcke zu stramm saßen. Dass sie sich immer gewünscht hatte, ein bisschen fülliger zu werden, ignorierte sie in diesem Fall und suhlte sich stattdessen in ihrem Kummer.
Nach vielen durchgeweinten Nächten gestand sie es sich schließlich ein: Sie hatte Liebeskummer. Das erste Mal in ihrem Leben.
Dieses Gefühl versetzte sie in Angst und Schrecken. Ständig spukte Ryan in ihrem Kopf herum, mehrfach hielt sie den Telefonhörer in der Hand, um die Nummer seiner Agentur zu wählen. Doch sobald das gleichmäßige Tuten durch die Leitung schallte, legte sie ganz schnell wieder auf, mit Tränen in den Augen, weil sie so ein dummes Schaf war.
Dass ausgerechnet ihr das passieren musste! Sie hatte nicht nur mit dem zukünftigen Mann ihrer Mutter geschlafen, sondern sich zu allem Überfluss auch noch unsterblich in ihn verliebt. Das war unverantwortlich und noch dazu schreiend dämlich. Nach der Trennung hatte es jedoch einige Nächte gedauert, bis sie sich ihre Liebe zu ihm eingestanden hatte, und seit sie die Phase der Verleugnung hinter sich gebracht hatte, musste sie einen hohen Preis für ihre bodenlose Dummheit bezahlen. Sie litt wie ein Hund, und sie fing an sich zu wünschen, sie hätte sich niemals auf ihn eingelassen, doch sobald die Erinnerungen an ihre gemeinsamen Stunden auf sie einprasselten, bereute sie keine Sekunde ihres Zusammenseins. Trotz dieser Erkenntnis hatte sie den völligen Verlust ihres Stolzes gut umschifft und Ryan nicht bettelnd angefleht, er möge ihren idiotischen Anfall von Moral vergessen und sie wieder besuchen.
Leider wurde der Wunsch, wieder in seinen Armen zu liegen, täglich stärker, anstatt sich abzuschwächen. Hatte nicht irgendein schlauer Mensch behauptet, die Zeit heile alle Wunden? Ihrer Meinung nach hätte man diesen Lügner zu Lebzeiten am höchsten Baum Englands aufknüpfen sollen, weil diese Weisheit bei ihr nicht funktionierte. Und doch, die Welt drehte sich weiter, ohne auf ihren persönlichen Herzschmerz Rücksicht zu nehmen.
Vier
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