Family Affairs - Verbotenes Verlangen
weniger die spektakuläre Erscheinung von Leanne, die ihr am meisten ins Auge stach, sondern die Tatsache, dass sie ohne männliche Begleitung am Tisch saß. Zu ihrem Entsetzten fühlte Chloe maßlose Enttäuschung in sich aufsteigen. Warum war Ryan nicht bei ihr? War er etwa krank geworden? Zur Niedergeschlagenheit gesellte sich eine ordentliche Portion Sorge, und diese Kombination war so ärgerlich, dass sie sich schnurstracks in Bewegung setzte.
„Hallo Mutter.“
Leanne, die irgendwas in ihr Handy tippte und erst jetzt merkte, dass ihre Tochter bei ihr war, sah lächelnd auf, steckte das Ding zurück in ihre Clutch und erhob sich. Ohne irgendwelche Berührungsängste zu zeigen, umarmte sie Chloe und flüsterte: „Wie schön, dass du es einrichten konntest, Liebes.“
Sie küsste sie zart auf die Wange und strich ihr liebevoll übers Haar, eine Geste, die eine so schmerzhaft süße Empfindung in ihr auslöste, dass Chloe Mühe hatte die aufsteigenden Tränen wegzublinzeln. Oh verdammt …
Sie unterbrach den Augenkontakt und deutete mit einem bebenden Lächeln auf den Tisch.
„Sind wir heute nur ein Damen-Duo?“
Chloe hasste sich dafür, dass sie sofort die Sprache auf Ryan brachte, doch sie wollte lieber von Anfang an wissen, woran sie war, um sich seelisch und moralisch auf den weiteren Verlauf einzustellen.
„Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, liebe Chloe, aber du wirst wohl auch mit meiner Gesellschaft vorliebnehmen müssen.“
Überrumpelt riss sie den Kopf herum und blickte direkt in jene Augen, die sie seit Monaten bis in den Schlaf verfolgten. Vier Wochen. Sie hatte ihn vier verdammte Wochen nicht gesehen, und doch kam es ihr vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass er ihr in ihrem Schlafzimmer das Herz aus dem Leib gevögelt hatte. Es war keine sonderlich romantische Umschreibung ihrer seelischen Verfassung, doch sie war wohl die Treffendste. Ein dicker Klumpen machte ihr das Sprechen schwer.
„Reiß dich zusammen, Chloe. Mutter darf auf keinen Fall was merken“, ermahnte sie sich und rang sich ein Lächeln ab.
„Als ob du stören würdest.“
Sie klopfte sich geistig auf die Schulter für diese bravouröse Zurschaustellung von Gleichmut. Er erwiderte ihr Lächeln nicht, sondern verkürzte mit zwei langen Schritten den Abstand zwischen ihnen, bis er direkt vor ihr stand. Mit rasendem Herzklopfen spürte sie, wie er ihre Hand in seine nahm. Sein Blick streifte flüchtig ihren Körper, ihr Gesicht. Trotz der Oberflächlichkeit, mit der das geschah, meinte sie, in seinen Augen ein bewunderndes Aufblitzen erkennen zu können.
„Du siehst wie immer bezaubernd aus“, schmeichelte er und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken. Beinahe hätte sie die Augen geschlossen und gestöhnt, doch sein heißer Blick nahm ihr schlichtweg den Atem, hielt sie in einem hypnotischen Taumel gefangen, der keinen Laut und keine Bewegung mehr zuließ. Endlich lächelte er, was eine hektische Betriebsamkeit ihrer Herzklappenfunktion zur Folge hatte.
„Oh Scheiße“, dachte sie unzusammenhängend. „Ich bin echt geliefert.“
Sein Lächeln wurde zu einem fiesen Grinsen, als wüsste er haargenau, was gerade in ihr vorging. Das weckte sofort den Wunsch in ihr, ihm dieses arrogante Gehabe aus dem Gesicht zu schlagen, und zwar so nachhaltig, dass ihm sämtliche Zähne im Mund lockersaßen. So ein Arsch!
„Wir sollten uns setzen, die Leute starren schon zu uns hinüber.“
Er zog lediglich eine seiner goldbraunen Augenbrauen hoch, drehte sich jedoch gehorsam zum Tisch. Auf gewisse Weise war sie ihm dankbar, dass er den Widerling raushängen ließ. Das würde es vereinfachen, ihn zu ignorieren.
Sie setzten sich. Dabei rückte er so nah an ihre Mutter heran, dass er problemlos die seidenweiche Haut ihrer Schultern mit den Fingerspitzen liebkosen konnte. Heiße Eifersucht ergriff sie bei diesem Anblick, so sengend und heftig, dass ihr übel wurde. Wie konnte sie ihrer eigenen Mutter das Glück so sehr missgönnen? Die lächelte sie unterdessen munter an und wirkte sehr leutselig.
„Und wie ist es dir die letzten Wochen ergangen, Liebes?“
Die Frage traf Chloe völlig unvorbereitet, weil sich ihr Gehirn in Ryans Gegenwart mit schöner Regelmäßigkeit in wabbliges Gelee verwandelte. Es fiel ihr unheimlich schwer, anständige Sätze zu bilden, und so stotterte sie ihre Antwort einfach herunter.
„Äh, gut. Viel Arbeit … das Übliche eben. Du kennst das ja.“
Wieder begegnete sie seinem
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