Family Job
Fraser machen.
– Martin würde sich um Phil, den Bruder, kümmern.
Als der Leichenwagen ankam, konnte Effie nicht hinsehen. Eine Autofahrt, und sei sie noch so langsam, da würde ihr schlecht werden.
Sie ging zu Fuß. Arm in Arm mit Martin, der elegant und feierlich aussah.
Der Regen war nur ein Nieseln.Trotzdem hätte sie einen Hut tragen sollen. Doch ihr gefiel, wie schwammig-feucht ihre Haare sich anfühlten, wenn sie hineinfasste.
Sie ging langsam, in der Hoffnung, sie würde nie ankommen.
Aber die Kirche lag im Viertel, und sie waren in weniger als zehn Minuten da.
Der Gottesdienst war bizarr. Leute zu sehen, die man sonst nie sah. Cousins, die nur bei Hochzeiten oder Beerdigungen auftauchten. Tante Joyce, von der Effie gedachthatte, sie sei längst tot. Alle versprachen, sich wieder zu melden, und alle wussten, dass sie es nie tun würden.
Kirchenlieder singen, um Himmels willen. Dad grölte sie richtig raus.
Einem Mann, den man nie gesehen hatte, dabei zuhören, wie er das Leben des eigenen Bruders schilderte. Und es auch noch besser machte, als man’s selbst gekonnt hätte.
Daddys Rede.
Er sagte nicht viel: »Grant war ein Sohn und Bruder, der geliebt wurde. Er war ein guter Junge. Er war gut zu seiner Mutter. Er wollte etwas aus seinem Leben machen. Er hätte jemand werden können. Nun hat er dazu keine Chance mehr.Ich bin am Boden zerstört.Wir alle sind am Boden zerstört. Wer das getan hat, wird dafür bezahlen.«
Als er zu seinem Platz zurückging, fing sie an zu klatschen. Martin stimmte ein. Einen Moment später klatschten alle.
Nur der Pfarrer wirkte nicht so richtig begeistert.
Und dann das Begräbnis.
Keine Einäscherung.
»Kein Mitglied dieser Familie«, sagte Dad, »wird brennen.«
Da Dad eine Art Experte war, was Brennen betraf, ließ sie ihm seinen Willen. Allerdings freute sie sich nicht auf das Begräbnis.
Als am Grab der Sarg aus dem Leichenwagen geschoben wurde, musste sie sich beherrschen.
Sechs Sargträger. Gerade mal genug. Der Sarg hatte ein beträchtliches Gewicht, und der Weg war rutschig. Das Gras am Grab noch mehr. Sie stellte sich vor zu stolpern, auf die Knie zu fallen. Stellte sich Daddy vor, der herzlich über ihr Ungeschick lachte. Stellte sich vor, mit ihm mitzulachen.
Mum in der kleinen Menge. Moira, die Schwester aus McCrackens Pflegeheim, die sich zurzeit um sie kümmerte.Die war okay, Moira. Sie hatte Mrs. H mitgebracht, und Mrs. H hatte Mum umarmt und gesagt: »Gesundheit.«
Effie schaffte es, sich aufrecht zu halten. Setzte den Sarg neben dem Grab ab und griff nach einem Seil. Das Loch war tiefer, als sie gedacht hatte. Und enger.
Genau die richtige Größe. Kuschelig.
Nahm ihre Position ein, und der Friedhofswärter sagte: »Absenken.«
Sie gehorchten, und es war erstaunlich schwer. Das Seil entrollte sich, und ihr Bruder sank in die Erde.
Sie schaute auf die Metallsäge, dann zu Martin rüber. Er griff ebenfalls nach seiner Säge. »Willst du …?«, fragte sie.
»Auf keinen Fall.« Er schüttelte den Kopf, und aus seinen Haaren flog das Blut wie Farbe aus einem Pinsel. »Fraser gehört dir. Ich geh eine rauchen.« Er hob eine Hand. »Ich pass auf, dass ich keine Kippen rumliegen lasse. Ich mach mir ’ne Tasse Tee dazu. Willst du auch eine?«
Sie nickte ihm zu.
Er verschwand in der Küche und kam Sekunden später zurück.
Sie schaute ihn an. »Gibt’s ’n Problem?«
»Effie, Babe«, sagte er. »Du denkst jetzt gleich, ich dreh durch.«
Sie schaute ihn unverwandt an.
»Ich schwör’s dir, Phil Savage starrt mich an«, sagte er. »Durch die Tüte.«
Sie sagte nichts.
Nach einer Weile nickte er und ging wieder in die Küche.
Effie machte eine Pause, um von ihrem Tee zu trinken, auch wenn er inzwischen kalt war. Das war schon mal nicht so toll. Martin hatte keinen Zucker reingetan, aber das war Absicht. Er hatte so einen Spleen mit dem Zucker,von wegen er sei Gift und so. Er hatte in einer Zeitschrift etwas darüber gelesen, ein bisschen selbst nachgeforscht und war zu dem Schluss gekommen, der Artikel habe recht. Also kein Zucker mehr. Wenigstens nicht bis der nächste Artikel erschien und behauptete, Zucker wäre gesund.
Die Wahrheit war – obwohl sich das angesichts dessen, was sie gerade machten, ein bisschen komisch anhörte –, dass Martin nicht besonders abenteuerlustig war. Aber sie war auch nicht überzeugt, dass sie selbst zu viel Aufregung mochte. Sie zog es viel eher vor, das Leben – wie war das Wort noch? –
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