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Family Job

Family Job

Titel: Family Job Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Guthrie
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Geld für jemanden, der so jung war. Hatte einen schönen Bürojob, aber Effie vermutete, dass Daddy was zugeschossen hatte. Man brauchte schon einen Haufen Kohle, wenn man es sichleistete, in einer modernen, leicht zurückgesetzten Villa mit eigener Auffahrt zu wohnen. Schon bevor Effie einen Fuß ins Badezimmer gesetzt hatte, hatte sie sich denken können, dass die Wasserhähne der Badewanne vergoldet waren. Und so war es auch.
    Martin musste sie abgedreht haben. Das Wasserrauschen hatte aufgehört. Er rief nach ihr.
    Er riss die Badezimmertür auf. »Ich sagte, das Bad ist fertig.«
    Sie stieg die Treppe hoch. Jeder Schritt fühlte sich seltsam klebrig an, wenn die Gummistiefel unter ihrem Gewicht quietschten. Sie waren Martins Beitrag gewesen. Man zog sie an, und wenn man versehentlich Blut verspritzte, hinterließ man wenigstens keine Fußabdrücke.
    Martin kam aus der offenen Badezimmertür auf sie zugerannt. Drinnen waberte der Dampf.
    Am oberen Treppenabsatz trafen sie sich. Er schlang die Arme um sie und vergrub das Gesicht an ihrem Hals.
    »Geht’s dir gut? Martin Baby?«, sagte sie und legte ihm die Hand auf den Hinterkopf.
    »Nicht so richtig«, sagte er.
    Sein Atem kitzelte sie am Hals. Sie strich ihm übers Haar. »Wir sind ja bald weg.«
    »Irgendwas stimmt nicht.«
    »Alles in Ordnung. Alles läuft nach Plan. Wir sind gut.«
    Er hob den Kopf, blickte über ihre Schulter. Sie drehte sich um und folgte seinem Blick. Er betrachtete die Plastiktüten in dem Zuber neben der Tür. »Sie beobachten uns«, sagte er.
    Und einen Augenblick lang wurde Effie von Schrecken erfasst. Oder von Panik. Oder etwas Ähnlichem. Einen Sekundenbruchteil lang glaubte sie ihm. Ihr wurde schlagartig bewusst, dass sie nackt war, was sie glaubte vergessen zu haben. Verflucht, nein, sie hatte es vergessen.
    Aber was spielte das für eine Rolle? Sie wusste genau,dass ihr dürrer Körper das Letzte war,was irgendjemand im Sinn hatte. Und trotzdem war ihr unbehaglich zumute.
    Martin wich zurück. »Spürst du’s? Die Augen auf uns?«
    Sie schaute ihn an und merkte, dass sie die Hand in ihren Nacken gelegt hatte. Sie rieb. Woher wusste er von der Kamera? Die war winzig. Er konnte sie auf keinen Fall entdeckt haben. Sie wusste, wo sie versteckt war, und selbst sie hatte sie nicht ausmachen können. Das war gruselig.
    »Psst«, sagte er.
    Sie horchte. Jetzt, wo die Hähne zugedreht waren, konnte sie nichts weiter hören als das leise Summen der Zentralheizung.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Ich weiß nicht«, sagte er.
    Über seiner Schulter strömte Licht aus dem Badezimmer durch den Flur. Geisterhafte Formen wirbelten umeinander. Dampf. Nichts als Dampf. Da war nichts. Nicht mal ein Schatten.
    Aber da war doch was. Ein Duft. Ein Duft nach Rosen.
    Ihre Muskeln setzten aus. Sie konnte sich nicht mehr rühren. Konnte nicht sprechen. Nicht mal blinzeln.
    Acht Jahre alt. Wachte eines Morgens auf, in die Matratze eingesunken, als säße auf allen ihren Gliedern ein fetter Mann, und zwei weitere auf Bauch und Brust. Ein Duft, als hätte jemand eine Flasche von Mums teuerstem Parfüm aufs Kopfkissen geschüttet. Sie brauchte eine Weile, bis ihr klar wurde, was passiert war.
    Dann verstand sie. Sie war gelähmt.
    Sie versuchte um Hilfe zu rufen, aber der Laut blieb in ihr stecken. Wusste, dass sie einfach würde daliegen und warten müssen, bis ihre Mutter kam, um sie für die Schule aufzuwecken. Hoffte, sie könnte bis dahin weiteratmen. Ihre Kehle fühlte sich eng an, die Wände ihrer Luftröhre schienen anzuschwellen.
    Sie lag benommen im Dunkeln, befahl von Zeit zu Zeit einem Bein oder einem Arm, sich zu bewegen, versuchte, die unsichtbaren dicken Männer abzuschütteln. Aber nichts passierte. Nicht mal ein Zucken.
    Irgendwann war sie überzeugt, dass sie sich nie wieder bewegen würde. Sie musste sich in der Nacht das Rückgrat gebrochen haben. Genau, das war’s. Hatte sich im Schlaf herumgerollt, irgendwas gebrochen, und es tat nicht weh, weil sie gelähmt war. Den Rest ihres Lebens würde sie zwischen Bett, Rollstuhl und Bad mit so einem Hebeding herumgehievt werden, wie sie es bei ihrem Großvater gesehen hatte, als der ganz schwach geworden war und anfing einzuschrumpeln wie eine Walnuss.
    Die achtjährige Effie hatte geweint. Lautlos. Sie wollte nicht wie ihr Großvater werden. Alle hatten Mitleid mit ihm, und insgeheim hassten sie ihn, weil er eine Last war.
    Sie lag eine Weile still, so lange, bis sie die Zeit vergessen

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