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Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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auf die Wange und nickte Manju zu. Es schien mir, als hätte sie kurz hinter ihren dicken Brillengläsern gezwinkert, doch als ich nochmals hinsah, blickte sie ausdruckslos auf eine schmutzige Bratpfanne im Abwaschbecken und machte sich mit verbissenem Eifer daran, die Ärmel ihrer Strickjacke aufzukrempeln.
     
    Ich durchquerte die Bäckeranlage und betrat das Café Für dich. Wiener Kaffeehausatmosphäre kombiniert mit Berliner Szeneflair lullte mich ein, und für einen Moment vergaß ich, dass ich in Zürich war. So lange, bis mir die junge Frau am Tresen auffiel, die mir vage aus den Klatschseiten bekannt vorkam. Mit weit herum vernehmbarer Stimme beklagte sie sich, dass der Kamillentee nicht heiß genug sei und sie sowieso viel zu lange auf die Bedienung hätte warten müssen. Dabei warf sie ihr langes Haar dramatisch über die Schulter. Es handelte sich dabei eindeutig um ein Exemplar der in der Schweiz geradezu abgöttisch verehrten Gattung der Ex-Missen, vielleicht auch um eine Vize-Ex-Miss oder eine Beinahe-in-die-Endauswahl-gekommene-Ex-Miss, ich war mir nicht sicher. Es waren dies ehemalige Schönheitsköniginnen, die nach ihrem Amtsjahr – oder ihrem Vize-Amtsjahr − als Halbprominente weiterverwertet wurden und bereitwillig zu Filmpremieren, Sportanlässen, Hundeschauen, Kaninchenzüchtertreffen und Gartenmöbelausstellungen, Restauranteröffnungen und Kläranlageneinweihungen sowie jedem beliebigen anderen Anlass anstöckelten, solange genügend Kameras und Prosecco vor Ort waren. Gerade warf sie die Haare erneut über die Schultern und klackerte aufgebracht von dannen, als befände sie sich auf einem imaginären Catwalk, während der Kellner entnervt mit den Augen rollte. Jedem Land die Stars und Sternschnüppchen, die es verdient.
    Ich setzte mich ans andere Ende des Lokals auf ein niedriges Podest, auf dem zwei Tischchen vor unverputzter Mauer standen. Sehr urban, dachte ich wohlwollend und bestellte einen Macchiato. Ich ließ gerade das zweite Zuckerpäckchen in den Milchschaum rieseln, als sich jemand neben mir auf die lederbezogene Bank fallen ließ. Beinahe hätte ich das Häufchen Elend im schwarzen Kapuzenpullover nicht erkannt.
    »Ness?«
    Sie guckte mich mit großen, besorgten Augen an. Noch immer hatte sie mehr als genug Blech im Gesicht, doch die Haare waren offensichtlich frisch gefärbt und schimmerten in einem warmen Rot. Zur Kapuzenjacke trug sie eine ausgebeulte weinrote Hose und braune Lederstiefel, und zu meiner grenzenlosen Begeisterung hatte sie ihren Köter zu Hause gelassen. Sie war blass, auch wenn sonst nicht mehr viel an die Schwarze Witwe erinnerte, die erst vor zwei Tagen in mein Büro gestürmt war.
    »Du bist so …«
    »Verändert?«
    Ich nickte. Darauf erwiderte sie nichts, knabberte an einem Fingernagel herum und starrte gedankenverloren in den Raum.
    »Hast du etwas rausgefunden?«, fragte sie endlich.
    Ich wiederholte, was ich ihr schon am Telefon gesagt hatte, und fügte die jüngsten Ereignisse an.
    »Was wollte dieser Ramiz euch antun?«
    »Keine Ahnung, er hatte ein Springmesser und machte nicht den Eindruck, als wollte er lange verhandeln.«
    »Voll krass.«
    »Meine Worte.«
    »Und Philipp hatte Krach mit diesem …?«
    »Winkler. Ja, angeblich. Weswegen weiß ich aber auch nicht.«
    »Von dem hab ich noch nie etwas gehört. Merkwürdig, dass Philipp mit ihm zu tun hatte. Normalerweise hat er sich nicht mit anderen Dealern eingelassen. Er hat sein Ding durchgezogen, das war’s. Ich frage mich, was er dort wollte.«
    »Vielleicht hat er ihm Kokain verkauft?«
    »Könnte sein. Aber so wie ich es verstanden habe, dealt der ja selber. Der hat garantiert eigene Quellen.«
    »Ein Lieferengpass vielleicht?«
    »In Zürich?« Ness guckte wenig überzeugt. »Eigentlich war Philipp sehr auf Diskretion bedacht. Wenn jetzt das halbe Quartier weiß, dass er dort war, dann war es kaum wegen einem Deal. Es muss was anderes gewesen sein.«
    »Das halbe Quartier ist übertrieben. Aber die Albaner, die bei diesem Winkler rumhängen, kennen ihn offensichtlich. Und der kleine Murat erinnert sich sogar an den Streit.«
    »Worum ging es?«
    »Wird er mir nachher erzählen, wenn seine Schwester zu Hause ist. Die kann angeblich gut Deutsch und wird übersetzen.«
    Ness wiegte nachdenklich den Kopf. »Philipp war schon komisch, anders als sonst. So aufgeregt und happy. Er hat die ganze Zeit gegrinst und wollte nicht sagen, was los ist. Die Heimlichtuerei ging mir ganz schön auf den

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