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Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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für einen Müllsack boten. Ich drückte auf die oberste Klingel rechts. Auch hier geschah nichts. Ich klingelte erneut und wartete. Hinter mir floss konstant der Verkehr vorbei, der Gehsteig war menschenleer. Unauffällig lehnte ich mich gegen die Haustür, bis die Falle mit einem unwilligen Klicken aus dem Schloss glitt. Das war der Vorteil, wenn die Verwaltungen ihre Liegenschaften verwahrlosen ließen. Ich tastete mich durch den schummrigen Flur und stieg die Treppe hinauf in den obersten Stock. Pflanzen mit ledrigen Blättern, die weder Sonnenlicht noch Wasser zu benötigen schienen, zierten die Fenstersimse im Treppenhaus, Risse zogen sich wie eingravierte Blitze durch den Verputz. Ich las im Vorbeigehen ein paar Namen auf den Schildern, doch da war keiner darunter, den ich mir auf Anhieb hätte merken können. Es herrschte eine merkwürdige Ruhe, als wäre das ganze Gebäude unbewohnt. Einzig das Rauschen der draußen vorbeifahrenden Autos drang gedämpft herein. Als ich zuoberst ankam, war ich außer Atem.
    Die Wohnungstür stand spaltbreit offen. Ich klopfte und versuchte gleichzeitig, mein Keuchen zu unterdrücken. Es klang vulgär laut in der angespannten Stille. Da sich nichts regte, spähte ich vorsichtig in die düstere Diele hinein. Es roch säuerlich nach Mittagessen, und mir wurde mulmig.
    »Hallo!«, rief ich, doch ich brachte nur ein heiseres Krächzen zustande. Auch im Wohnzimmer war niemand. Fahles Licht drang durch die geschlossenen Gardinen, ein schäbiges Sofa, das mit einer durchsichtigen Plastikfolie bedeckt war, stand an der Wand. Gegenüber hing ein überdimensionaler Flachbildschirm, der zweifelsohne mit einer der Parabolantennen verbunden war, die, wie mir zuvor aufgefallen war, wie weiße Pilze vor den Fenstern wucherten. Hinter dem Sofa hing eine rote Flagge, auf der ein schwarzer zweiköpfiger Adler zu sehen war, den Boden bedeckte ein ausgefranster Orientteppich. Ich wollte gerade die Tür zum angrenzenden Zimmer öffnen, als ich ein leises Geräusch hörte. Ich fuhr herum. In dem Moment raste draußen ein Krankenwagen vorbei, das Aufheulen der Sirene entfernte sich rasch, und es herrschte wieder Stille. Der billige Laminatboden ächzte unter meinen Schritten, als ich langsam auf die Tür mit eingelegter Milchglasscheibe zuging, durch die am Ende des Ganges etwas Licht hereinwaberte. Auch sie war nur angelehnt. Mit der Schuhspitze stieß ich sie auf und zuckte entsetzt zusammen. Bevor ich ganz erfasst hatte, was sich mir darbot, wich sekundenschnell alles Blut aus meinen Armen und Beinen, mein Magen zog sich zusammen. Rasch riss ich die Tür wieder zu, lehnte mich an den Rahmen und schnappte keuchend nach Luft. Helle Lichtpunkte tanzten hinter meinen geschlossenen Lidern. Dann atmete ich tief ein und öffnete die Tür erneut.
    Murat lag auf dem Rücken, den Mund weit aufgerissen, die Arme abgewinkelt neben seinem zusammengekrümmten Körper. Das weiße T-Shirt mit dem silbernen Firlefanz war dunkelrot verfärbt, um ihn herum bildete das Blut eine klebrig glänzende Lache. Ramiz musste ihm das Messer mehrmals in den Bauch gestoßen haben, was die zerfetzten Stellen im Stoff bewiesen. Und dass es Ramiz gewesen war, daran zweifelte ich keine Sekunde. Ich beugte mich über Murat und legte ihm zwei Finger an den Hals. Er war noch warm, doch für ihn kam jede Hilfe zu spät. Ich erhob mich und versuchte fieberhaft, einen klaren Gedanken zu fassen. Es gelang mir nicht. Ich wusste, dass ich auf gar keinen Fall hier erwischt werden durfte, die Befragungen durch die Polizei hätten meine Suche vehement behindert, wenn nicht gar vereitelt. Ich wusste auch, dass jeden Moment die Schwester auftauchen konnte, und ich wusste, dass Ramiz eine ernst zu nehmende Gefahr für mich bedeutete, möglicherweise befand er sich sogar noch in der Nähe. Ich wusste also so einiges, nur konnte ich mit dem ganzen Wissen überhaupt nichts anfangen. Mein Gehirn war wie betäubt. Ich riss ein Geschirrtuch vom Haken. Immerhin war ich geistesgegenwärtig genug, meine Fingerabdrücke am Türrahmen und an der Klinke abzuwischen. Dann torkelte ich hinaus in den Gang. Glücklicherweise befand sich das Badezimmer gleich nebenan. Ich legte das Tuch über den Türgriff, bevor ich ihn hinunterdrückte, schaltete das Licht ein und kühlte dann Gesicht und Nacken mit kaltem Wasser. Als ich mich aufrichtete, stellte ich mit Schrecken fest, dass ich blasser war als eine Upperclasstussi aus Mumbais Schickeria. Nur dass ich dazu

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