Fantasien der Nacht
die sie kaum zurückzuhalten vermochte, waren absurd. Gott sei Dank, du bist zurückgekommen … Ich habe dich so vermisst … Bit te, verlasse mich nicht noch einmal … Ich werde sterben , wenn du mich von Neuem verlässt.
Sie spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten; sie wollte sich umdrehen und fortlaufen, damit er es nicht mitbekam. Schmerz flackerte in seinen Augen auf und war dann sofort wieder verschwunden, sodass sie sich nicht sicher sein konnte, ob sie tatsächlich gesehen hatte, was sie gesehen zu haben glaubte. Er sah sie so eindringlich an, und das eigenartige Gefühl, dass er irgendwie in ihren Kopf hineinschauen konnte, traf sie mit geradezu lächerlicher Gewissheit.
Tamara wollte sich umdrehen und weglaufen. Zugleich wollte sie ihn aber auch auf ewig festhalten. Ich verliere den Verstand.
„Nein, Liebes. Du bist vollkommen gesund, das versichere ich dir.“ Seine Stimme klang einschmeichelnd.
Sie atmete tief ein. Sie hatte das nicht laut ausgesprochen – oder doch? Er hatte … lieber Himmel, er hatte ihre Gedanken gelesen!
Unmöglich! Das war einfach nicht möglich. Sie betrachtete seinen sinnlichen Mund und befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge. Hatte er tatsächlich ihre Gedanken gelesen? Um es zu prüfen, dachte sie: Ich will, dass du mich küsst.
Eine leise Stimme flüsterte die Antwort in ihrem Kopf – seine Stimme. Ein Test? Ich könnte mir keinen angenehmeren vorstellen.
Sie beobachtete fasziniert, wie er den Kopf senkte. Sein Mund kam ihr immer näher, und sie erlaubte sich, sich seinem sanften Drängen zu öffnen. In dem Moment, in dem seine feuchte, warme Zunge in ihren Mund schlüpfte und ihre Zunge liebkoste, durchfuhr sie ein heißer Schauer.
Es war kein unerwarteter Ansturm körperlichen Verlangens. Nein, dies fühlte sich vielmehr wie ein elektrischer Stromstoß an, der vom Kontaktpunkt aus durch ihren Körper loderte und an ihren Fußsohlen wieder austrat. Ihre eigene Reaktion erschütterte sie und raubte ihr die Kraft.
Seine Hände bewegten sich ihren Rücken hinauf. Seine Fingerspitzen tanzten über ihren Nacken und höher, bis sie sich in ihrem Haar vergruben. Die Hände an ihrem Hinterkopf, zog er sie näher zu sich heran, drehte sie so, wie es ihm am besten passte, und hinderte sie daran, sich zurückzuziehen, als er mit der Zunge tiefer drang, um in ihrem Bauch kribbelnde Flammen der Sehnsucht zu entfachen.
Schließlich glitten seine Lippen von ihren, und sie dachte, der Kuss wäre vorüber. Stattdessen wurde er lediglich zu einer anderen Art von Kuss. Mit feuchten Lippen zog er die Konturen ihres Kinns nach. Mit der Zunge berührte er die empfindliche Haut knapp unterhalb ihres Ohrs. Er ließ die Lippen zärtlich zu ihrer Kehle gleiten, und ihr Kopf sank wie von selbst zurück.
Sie legte die Hände um seinen Kopf und zog ihn näher zu sich. Ihre Augenlider flatterten, und ihr war so schwindlig zumute, dass sie überzeugt war, gleich ohnmächtig zu werden.
Er saugte an ihrer empfindlichen Haut. Sie spürte, wie seine Zähne über ihre weiche Haut strichen, als er daran sog wie ein Baby an der Brust seiner Mutter. Tamara fühlte, wie er erschauerte, hörte ihn aufstöhnen, als würde er gefoltert. Er hob den Kopf und richtete sich auf, damit sie einander in die Augen schauen konnten.
Einen Moment lang schien ein Licht in seinen Augen zu schimmern – ein unnatürliches Leuchten, das von irgendwo jenseits der Schwärze hervordrang.
Seine Stimme klang rau und zittrig, als er sprach; nicht länger der besänftigende Klang wie Honig, der zuvor ihren Ohren geschmeichelt hatte. „Was willst du von mir? Und pass auf, dass du nicht zu viel verlangst, Tamara. Ich fürchte nämlich, dass ich dir nichts abschlagen kann …“
Sie runzelte die Stirn. „Ich will nichts …“ Sie atmete zwischen zusammengebissenen Zähnen ein und löste sich aus seiner Umarmung. „Woher kennen Sie meinen Namen?“
Langsam schwand der Zauber. Sie atmete tief und gleichmäßig ein. Was hatte sie getan? Seit wann zog sie umher und knutschte mitten in der Nacht mit irgendwelchen Fremden herum?
„So wie du auch meinen kennst“, sagte er, und seine Stimme gewann etwas von ihrer vormaligen Stärke und ihrem Klang zurück.
„Ich weiß nicht, wie Sie heißen! Und wie konnten Sie … warum hast du …“ Sie schüttelte wütend den Kopf, außerstande, den Satz zu beenden. Immerhin hatte sie ihn genauso geküsst wie er sie.
„Komm schon, Tamara, wir wissen beide, dass du mich
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