Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fantasien der Nacht

Fantasien der Nacht

Titel: Fantasien der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE , Pößneck GGP Media GmbH
Vom Netzwerk:
wartete ungefähr dreißig Sekunden, in denen er unbehaglich beide Seiten des Korridors im Auge behielt, halb von der Erwartung erfüllt, dass St. Claire jeden Moment auftauchen würde. Dann drang ein entsetzlicher Schrei aus einem der Räume in dem anderen Gang, und sämtliche Schwestern setzten sich eilends in Bewegung.
    Eine Männerstimme scholl durch die Flure: „Es hat mich angegrinst – geradewegs durch mein Fenster! Ich schwöre es! Und es … es hatte Fangzähne … und die Augen …“
    Unwillkürlich musste Eric grinsen, obwohl ihm keineswegs danach zumute war. Er eilte zum Schreibtisch hinüber und schlug Tamaras Akte auf. Er musste nicht lange suchen. Laut dem Arzt, der sie behandelt hatte, war Tamara am frühen Morgen bewusstlos und mit kaum messbaren Vitalwerten eingeliefert worden. Sie hatte eine große Menge Beruhigungsmittel zusammen mit Alkohol eingenommen.
    Die Untersuchung des Mediziners ergab, dass sie vor Kurzem Geschlechtsverkehr hatte. Des Weiteren gab er die blauen Flecke auf ihrem Oberkörper zu Protokoll und gelangte zu dem Schluss, dass sie irgendwann letzte Nacht vergewaltigt worden sei. Seiner Meinung nach war der Grund für die Tabletten und den Alkohol ein Selbstmordversuch.
    Das Blatt verschwamm vor seinen Augen. Sein Magen rebellierte. Wäre er allein gewesen, hätte er aufgebrüllt wie ein verwundeter Löwe. Gleichwohl, so wie die Dinge lagen, blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Qual unter Kontrolle zu bekommen. Er allein wusste, dass es keine Vergewaltigung gewesen war, die sie zu dieser Tat verleitet hatte. Der Anlass dafür war etwas gewesen, das der Seele noch weit mehr Schaden zufügte.
    Sie hatte sich voller Leidenschaft einem Monster hingegeben. War ihm nicht schon davor klar gewesen, dass dies alles zu viel für sie sein würde, sobald die erste Euphorie nachließ? Fast blind vor Kummer schloss er den Ordner und ging denselben Weg zurück, den er gekommen war.
    Roland war gerade von dem Fenstersims heruntergesprungen „Hast du diesen Schwachkopf brüllen gehört?“ Er lachte. „So viel Spaß hatte ich schon seit Jahren nicht mehr.“ Sein lautes Gelächter verstummte, und er räusperte sich. „Also, wie hast du unser Mädchen aufgespürt? Hast du sie gesehen? Eric – meine Güte, du siehst grauenvoll aus. Was ist los?“
    Eric schluckte schwer und zwang sich, die Worte auszusprechen. Es fiel ihm nicht leicht. Seine Kehle war derart zugeschnürt, dass er kaum imstande war, einzuatmen, und als er es tat, brannte sie. „Ich … konnte nicht zu ihr. Vor ihrem Zimmer war eine Wache postiert. Vom DPI.“ Er entdeckte in der Nähe eine Bank und ging hinüber. Er musste sich setzen. Ihm war, als hätte ihn ein Zug überrollt. „Sie hat versucht, sich das Leben zu nehmen, Roland.“
    „Wie bitte?“ Sofort saß Roland neben ihm, einen Arm um Erics Schultern gelegt. Eric nahm es kaum wahr.
    „Ich sagte dir doch, sobald sie wieder bei klarem Verstand ist, wird sie bereuen, was wir – was ich ihr angetan habe. Ich hatte allerdings keine Ahnung, dass das Ganze sie so anwidern würde, dass sie damit nicht weiterleben kann!“
    „Du irrst dich!“
    Trotz der Eindringlichkeit in Rolands Stimme drangen seine Worte nicht durch die Mauer aus Schmerz, die Eric umgab. „Schlaftabletten in Verbindung mit Alkohol. Es steht alles in ihrer Akte.“
    Roland packte Erics Schultern und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. „Nein. Das würde sie nicht tun.“
    Eric schüttelte den Kopf. „Du kennst sie kaum.“
    „Das ist wahr, aber ich weiß um die Verzweiflung, die es braucht, um jemanden zu einer solchen Tat zu treiben! Ich kenne derlei aus erster Hand, Eric. Ich kenne die Anzeichen dafür.“ Seine Stimme wurde sanfter. „Ich wünschte nur, sie wären mir damals schon vertraut gewesen.“ Er schüttelte den Gedanken ab. „Nimm nichts als gegeben hin, das du nicht aus ihrem eigenen Mund gehört hast, Eric. Ich weiß, dass der Fall anders liegt. Geh zu ihr. Sprich mit ihr.“
    Zum hundertsten Mal schüttelte Eric den Kopf. „Ich bin der Letzte, den sie jetzt sehen möchte.“
    „Wenn dem so ist, wird sie dir das sagen, und dann hast du deine Antwort. Falls nicht, würdest du ihr großes Unrecht tun, wenn du sie mit einem Wachmann vom DPI in diesem Raum zurücklässt, der sie daran hindert zu gehen.“
    Erics Schultern spannten sich. „Ich nehme an, ich könnte durchs Fenster hineingelangen. Aber ich fürchte, St. Claire und Rogers könnten bei ihr im Zimmer

Weitere Kostenlose Bücher