Fantastik AG
zweiten, noch gewagteren, die besagte, dass Archo von
Borgu, der Architekt des Labyrinths, noch während der Bauphase starb und
wahnsinnig wurde (eventuell auch in umgekehrter Reihenfolge), und seitdem als
Untoter zusammen mit seinen ebenfalls untoten Arbeitern bis in alle Ewigkeit an
dem Werk weiterbaue, das er zu Lebzeiten nicht hatte vollenden können.
Ob diese Theorie nun zutraf oder nicht, fest stand jedenfalls, dass
das Labyrinth riesig war. Folgur von Greifsheim, der berühmte Weltreisende,
hätte das bestätigen können, wenn er bei seiner Expedition den Rückweg gefunden
hätte.
Vor einigen Semestern hatte Theodor eine Klausur über König Gomfurs
Labyrinth geschrieben und war dabei wieder einmal zu dem Schluss gelangt, dass
sein Studiengang doch ein wenig an der Realität des modernen Arbeitsmarktes
vorbeiging.
Wozu sollte es gut sein, hatte er sich gefragt, wenn man wusste, wo
sich der Verborgene Schalter für die Geheime Brücke über den Unendlich Tiefen
Abgrund im Labyrinth von Sternheim befindet?
Wenn ihm damals gesagt worden wäre, dass der Besitz dieser
Information in der Tat lebensrettend sein konnte, hätte er sicher ungläubig
gelacht.
Zwei Kobolde kamen ihnen entgegen, deren Gesichter unter schwarzem
Bartdickicht verschwanden. Zwischen sich trugen sie eine Holzkiste, auf der Vorsicht! Hochexplosiv! geschrieben stand.
»Kobolde?«, fragte der Professor.
»Leutnant Daumenschraubes Männer«, erklärte Zirkel. »Sie gehören
zu uns.«
»Aha«, sagte der Student. »Und wer sind wir ?«
»Rebellen«, sagte Zirkel kurz.
»Ah«, entgegnete Theodor.
Sie gingen weiter.
»Mir ist aufgefallen«, begann der Student nach einer Weile, »dass
du einen Helm aus Alufolie trägst â¦Â«
»Strahlenschutz«, entgegnete Zirkel. »Ihr solltet auch einen
tragen. Sie manipulieren die Gedanken. So. Hier ist es.«
Sie hielten vor einer weiteren Stahltür. Auf ein Klopfzeichen von
Doktor Vendel öffnete ihnen ein wohlbeleibter, bärtiger Mann die Tür. Er trug
die in Neu-Sternheim übliche Standardarbeitsbekleidung und einen seltsam dazu
passenden, spitzen Hut.
»Ah, da seid ihr«, sagte er. »Wir haben schon auf euch
gewartet.« Er bemerkte den Professor und Theodor und fragte: »Wer sind die
Neuen?«
»Du hast uns nicht nach dem Kennwort gefragt«, tadelte Zirkel.
»Wir könnten Spione sein. Ihr könntet tot sein. Jetzt und in diesem
Augenblick.«
»Ich sehe das so«, lachte der Mann. »Wir sind nicht tot. Jetzt
und in diesem Augenblick. Aber kommt doch rein. Wir wollten gerade mit der
groÃen Beratung beginnen.«
Sie folgten ihm in einen Raum, der von mehreren Laternen schummrig
erleuchtet wurde. An einem groÃen Tisch saÃen zahlreiche Personen.
Stimmengewirr erfüllte den Raum. In einer Ecke stand eine Gruppe verwegen
aussehender Kobolde, die sich auf ihre Musketen stützten, dicke Zigarren
rauchten und wild wuchernde Bärte trugen.
»Setzt euch«, sagte der Mann. »Da drüben sind noch ein paar
Plätze frei. Ich bin übrigens Tinorius. Magier mit dem Spezialgebiet magische
Energien, jetzt menschlicher Anrufbeantworter der Fantastik AG in der Abteilung Kundenbetrug.«
Sie nahmen am Tisch Platz und Theodor bekam Gelegenheit, einige der
Anwesenden genauer ins Auge zu fassen.
Neben ihm waren zwei Zwerge in ein angeregtes Gespräch über
Stollenbau vertieft, einer von ihnen trug eine massive Goldkette um den Hals
und der andere hatte mehr Ringe als Finger an seinen Händen. Ein paar Plätze
weiter saà ein hochgewachsener knochiger Elf, der vor sich auf dem Tisch eine
Geige liegen hatte und ironisch abwesend lächelte. Dem Studenten gegenüber saÃ
eine Koboldin, die in die übliche Uniform der Wache von Neu-Sternheim gekleidet
war. Sie hatte feuerrotes Haar und rauchte wie die anderen Kobolde eine dicke
Zigarre â und aus einem geheimnisvollen Grund konnte der Student seinen Blick
kaum von ihr abwenden. Sie war nicht unbedingt als hübsch zu bezeichnen â
Koboldinnen sind im Allgemeinen eher sogenannte herbe
Schönheiten â aber Theodor überraschte sich gerade selbst mit der
gedanklichen Feststellung, dass er rote Haare ziemlich attraktiv fand.
Er bemerkte erst, wie lange er die Koboldin angestarrt hatte, als
sie sich ihm zuwandte und mit rauer, aber durchaus angenehmer Stimme sagte:
»Was ist, GroÃer?
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