Farben der Liebe
kurz und klein geschlagen. Er war nicht da gewesen. Es wäre nie passiert, wenn er …
Er hatte seinen Ricky verloren, den einzigen Menschen, der bedingungslos liebte, dem es egal war, dass er ein Junkie, dass er Stricher gewesen war. Seither hatte er immer Angst gehabt, dass es jemand anders geben würde, der Rick für sich gewinnen konnte. Nachdem Tom endlich akzeptiert hatte, dass Alec unerreichbar war, hatte sich Rick klammheimlich in sein Herz geschlichen, und auch wenn Tom seine Gefühle niemals so offen zeigen konnte, wie dieser, so liebte er ihn doch mit ganzem Herzen.
Etwas berührte ihn an der Hüfte und instinktiv schlug er um sich. Im nächsten Moment bereute er seine heftige Abwehr bereits, denn es war nur eins der Ponys gewesen, welches neugierig herangekommen war und ihn nur überrascht und auch vorwurfsvoll ansah.
„Du warst doch gar nicht gemeint, Jumbo“, murmelte Tom beschwichtigend und unterdrückte krampfhaft sein Schluchzen. „Ich … bin nur so … wahnsinnig wütend. Sorry, Dicker.“ Jumbo schnaubte leise und kam erneut näher, pustete Tom warmen Atem übers Gesicht. Dieser schluchzte nun doch auf, rutschte am Baumstamm hinab und verbarg sein Gesicht in den Armen. Die Tränen gewannen, er konnte nichts dagegen tun. Das Pony blieb neben ihm stehen, den Kopf gesenkt und wartete geduldig, bis der Anfall abebbte.
Toms Hand kam hoch und er strich über die weichen Nüstern, während er versuchte, sich zu sammeln. „Ich liebe ihn doch, er ist so toll und ich ...“ Jumbos große, dunkle Augen musterten ihn sanft und Tom kraulte ihm die Mähne. „Oh Mann, aber wieso macht er so was? Wieso muss er sich gleich den Erstbesten schnappen und mit dem rummachen?“
Weil der ihn nicht wegen seiner Kleidung oder der Schminke angemacht hatte. Weil dieser Scheißkevin scharf auf Ricky gewesen war, der so fantastisch aussah und im Bett einfach nur …
Tom presste die Augen ganz fest zu und schloss die Faust um das Pferdehaar. Weil Ricky jeden haben konnte, wenn er wollte, weil Tom eben doch nur ein Arsch war und dauerhaft nichts für jemanden wie Rick.
Vielleicht war es so besser. Für Rick, der jemanden finden konnte, der besser zu ihm passte. Wenn es nur nicht so wehtun würde …
Tom lehnte sich gegen den warmen Pelz und kraulte die Mähne weiter. Seine Wut war weg, erlag der Resignation. Jumbo senkte den Kopf und schob wohlig die Oberlippe vor, und erst als seine Finger schmerzten, hörte Tom auf. Jumbo wanderte weiter und zupfte zufrieden am Gras. Tom lehnte sich erneut an den Baum. Es war bald Zeit für die abendliche Fütterung. Linda würde sich schon wundern, wo er blieb. Er musste zum Hof.
Wie betäubt ging Tom zurück, wusch sich hastig das Gesicht in einem der Wasserbottiche, ehe er sich ans Füttern machte. Linda sagte keinen Ton, rügte ihn nicht einmal wegen der verbeulten Schubkarre.
Erst als er in seinem Zimmer war, die Tür verschloss und sich einfach aufs Bett fallen ließ, kam die Verzweiflung erneut hoch.
Was sollte er nur tun? Rick war weg. Er hatte ihn verloren, er hatte mal wieder alles verloren.
Mit zittrigen Fingern kramte Tom sein Handy hervor. Er rollte sich zusammen und presste es fest gegen sein Ohr. Mehrfach holte er Luft, ehe er entschlossen wählte.
„Hallo?“
„Hallo Bulle“, Tom schaffte einen lässigen Tonfall. Auf gar keinen Fall würde er Mike zeigen, wie er drauf war. Das ging den nichts an. „Ist … Alec da?“
Am anderen Ende ertönte ein verhaltenes Seufzen. „Ja, ist er. Wieso wundert es mich nicht, dass du jetzt auch noch anrufst? Moment, ich hole ihn. Er muss zwischendrin mal pissen gehen. Oh, und wir wollen gerne in etwa einer Stunde essen, ja?“ Tom sagte nichts und wartete.
Mike war okay, auch wenn er ein Scheißbulle war und sich Alec geschnappt hatte. Irgendwie mochte er ihn sogar. Ricky hatte todsicher vor ihm angerufen und Alec was vorgejammert. Ganz bestimmt. Das machte der immer. Und Alec hatte immer Verständnis für ihn. Oder Mitleid.
Dieses Mal … Toms Gefühle fuhren Achterbahn und die Wut kehrte zurück. Mitleid hatte Ricky todsicher nicht verdient. Wer hatte sich denn volllaufen lassen? Wer hatte sich anbaggern lassen und wer war mit diesem Arsch von Kevin mitgegangen? Der hatte Ricky ja nicht gezwungen.
Aber ihn verletzt. Egal, Ricky war selbst schuld, wenn er angekommen wäre, sich entschuldigt hätte …
„Hallo Tom. Also, wie sieht deine Version aus?“ Alecs verständnisvolle Stimme war wunderbar vertraut und
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