Farben der Liebe
Tom schloss die Augen. Die Worte kamen ganz von alleine, Wut, Angst, Enttäuschung fanden ein Ventil und Alec hörte einfach zu. Mike wohl auch, denn ab und an vernahm man entsprechende Geräusche, wenn Tom mit Schimpfworten um sich warf.
„Aber er wollte sich doch entschuldigen“, unterbrach ihn Alec, als Tom nach fast einer halben Stunde einmal tief Luft holte. „Tom, es tut ihm unendlich leid. Er ist völlig fertig deswegen und ...“
„Fick dich! Ich bin fertig mit dem Kerl“, stieß Tom hervor. „Ich lasse mich nicht bescheißen, und wenn er mit jemand anderem rumvögeln will, bitte. Ich bin ja nicht mit ihm verheiratet. Soll er doch.“
„Er will todsicher nicht mit jemand anderem zusammen sein“, widersprach Alec. Im Hintergrund erkannte Tom das Klappern von Töpfen. „Er sagt, er war total betrunken und ...“
„Ja und? Die Sache ist durch. Ich ...“ Tom hasste Schwäche und Tränen, er hasste dieses tief in ihm schmerzende Gefühl und er hasste kurzfristig auch Alec, der ihm nicht mal Recht gab und Ricky sogar in Schutz nahm. Warum konnte er ihn nicht einfach mit beschimpfen? Was Alec natürlich nie tun würde.
„Gib ihm etwas Zeit. Lass dir Zeit, Tom. Das wird schon wieder. Ihr habt euch doch sonst auch ...“
„Sonst hat er auch nie seinen Arsch einem anderen Kerl angeboten“, unterbrach ihn Tom abermals. Erneut sah er Hinnerks Gesicht vor sich, beobachtete dessen Lippen, die sich öffneten, sich über Rickys Schwanz schoben, die Zunge, die mit dem kleinen Ring spielte. Er hörte Rickys vertrautes, geliebtes Stöhnen. Der war so geil empfindlich, wenn man nur ein wenig an dem Piercing rumspielte …
„Tom, jeder macht mal Fehler.“ Alec redete weiter, doch Tom hörte kaum noch zu. Er sah Rickys Gesicht vor sich, die wunderschönen Augen, die sich lustvoll schlossen, der weiche Mund, der sich zu einem weiteren Stöhnen verzog. Ihm gehörten diese Momente. Ihm ganz alleine. Niemand hatte das Recht, Ricky so zu erleben. Niemand.
„Schlaf erst mal drüber, ja? Morgen sieht es schon wieder alles anders aus.“ Alecs Stimme klang noch immer geduldig. „Wir sehen uns morgen auf dem Hof, okay? Vielleicht können wir uns die Woche mal mit Rick zusammensetzen und ...“
„Mit dem Wichser? Niemals!“ Tom legte auf. Das Handy rutschte ihm aus der Hand und fiel zu Boden. Er vergrub sein Gesicht tief in die Bettdecke und hob es erst wieder, als Linda anklopfte und ihm mitteilte, dass Essen fertig sei.
„Hab keinen Hunger“, brummte er nur und sie ließ ihn in Ruhe. Ihm war nicht nach Essen. Er wollte niemanden sehen. Er wollte auch nicht mehr andauernd an Ricky denken müssen. Die Versuchung war unglaublich groß, Vergessen zu finden. Alkohol brauchte länger als die Pillen, aber tat für gewöhnlich seine Wirkung. Nur ... er hatte Linda hoch und heilig versprochen, dass er sich nicht wieder betrinken würde.
Scheiße, was für ein verficktes Leben! Immer, wenn es gut lief, kam irgend so ein Scheiß und machte ihm alles kaputt. Tom musste an Alec denken, daran, dass dieser vier Monate in Gefangenschaft bei einem irren Psycho verbracht hatte. Daran, wie er sich seinen Weg ins Leben zurückgekämpft hatte.
Wenn Alec das konnte, kriegte er das auch hin. Er musste es. Scheiß auf Ricky. Scheiß auf Hinnerk und Kevin. Die konnten ihn doch alle mal. Er würde das packen.
***
Tom besah sich kritisch im Spiegel.
Eigentlich hatte er absolut null Bock auf diesen Fotoabend bei Alec und Mike. Die Einladung hatte ihm und Ricky gegolten und war schon vor dieser Sache ausgesprochen worden. Tom hatte lange überlegt, ob er hingehen wollte, aber er würde einfach keinem zeigen, wie sehr er getroffen worden war, wie sehr er Ricky vermisste. Der hatte doch todsicher nie den Arsch in der Hose dort aufzutauchen. Aber er würde es tun. Er würde kommen und Phily und Georg treffen und sich mit Mike den üblichen Schlagabtausch liefern. Er würde ganz normal sein, als ob ihn diese ganze verfickte Scheiße nicht jede Nacht wachhalten würde. Und sollte dieser verfluchte Wichser auftauchen, nun, dann würde er ihn eben ignorieren.
Es war Mike, der die Tür öffnete. „Hallo Bulle.“
„Hallo Tom.“ Mike musterte Tom aus seinen fast schwarzen Augen mit gerunzelter Stirn. Vermutlich würde gleich ein dämlicher Spruch kommen. Aber der kam nicht.
„Habt ihr schon angefangen?“
Mike nickt und ließ Tom herein. „Georg und Phily sind schon seit zwei Stunden da.“
Tom brummte und schlurfte ins
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