Farben der Sehnsucht
einer der vielen Zeitungen las, die sich vor ihm auf dem Tisch stapelten.
»Hallo, Noah! Wie ist es gestern mit Sloan Reynolds gelaufen?«
»Es ist gar nicht gelaufen.«
»Du machst wohl Witze«, versetzte Courtney mit unverhüllter Schadenfreude, während sie auf den Stuhl neben dem seinen glitt. »Hast du sie angebaggert?«
Er schlug den Wirtschaftsteil auf, bevor er antwortete. »Ich bin abgeblitzt«, murmelte er, ohne aufzusehen.
»Die Frau muß blind sein!«
Noah verstand ihre Bemerkung als Ausdruck ihrer Loyalität und warf ihr ein kurzes Lächeln zu. »Danke.«
Courtney zögerte nicht, das Mißverständnis aufzuklären. »Ich meinte damit nur, daß sie wohl noch keinen Blick auf deine Kontoauszüge geworfen hat. Ansonsten würde sie jetzt sicher hier auf deinem Schoß sitzen.« Als er nicht reagierte, warf sie einen suchenden Blick über den Rasen auf den angrenzenden Strand. »Wo ist denn unser Vater?«
»Als ich ihn das letzte Mal sah, hat er da hinten ein Blumenbeet umgegraben.«
Courtney drehte sich um und lächelte, als sie schließlich ihren Vater erblickte. »Damit scheint er schon fertig zu sein. Er steht nämlich gerade untätig herum und hält nach jemandem Ausschau. Ich wette, daß er auf Sloan wartet! Sie ist gestern früh ungefähr um dieselbe Zeit vorbeigekommen.«
Courtney entging nicht, daß ihre Bemerkung über Sloan Noahs Aufmerksamkeit geweckt hatte. Er drehte sich auf seinem Stuhl herum und blinzelte in die Sonne.
»Kann ja sein, daß er bessere Chancen bei ihr hat als du. Vielleicht steht sie auf ältere Männer. Mann, ich muß diese Frau unbedingt kennenlernen. Ich glaube, ich gehe mal runter und geselle mich zu Vater.«
»Nein, das wirst du nicht tun. Du bringst uns nur in Verlegenheit.«
»Ich bringe uns gern in Verlegenheit.«
Noah hatte den Verdacht, daß Courtney mit ihrer Vermutung über das Herumlungern ihres Vaters recht hatte. Der Gedanke war ihm peinlich, und er überlegte, wie er ihn vom Strand weglocken konnte. »Roger Kilman hat vor einer Weile angerufen und wollte Vater sprechen. Lauf doch bitte hinunter und sag ihm das. Es ist doch absurd, daß er da so dumm herumsteht.«
»Bist du eifersüchtig?«
»Das reicht jetzt!« wies Noah sie streng zurecht, bereute aber gleich seinen scharfen Ton und setzte etwas milder hinzu: »Könntest du nicht ein einziges Mal tun, was ich dir sage, ohne immer das letzte Wort haben zu müssen?«
»Doch, vielleicht kann ich das«, erwiderte Courtney mit einem Grinsen. In diesem Moment bemerkte sie, wie ihr Vater jemandem zuwinkte: Eine blonde junge Frau in kurzen Sporthosen und T-Shirt kam gerade über den Strand auf ihn zugelaufen und blieb dann stehen, um sich mit ihm zu unterhalten. Courtney zögerte keinen Moment mehr und rannte los. »Ich bring ihn dir sofort her, Noah«, versprach sie ihrem Bruder, der sich wieder in seine Zeitung vertieft hatte.
Sloan hatte vergeblich versucht, Douglas Maitlands Einladung zum Frühstück abzulehnen, doch der charmante ältere Herr wies alle ihre Proteste beharrlich zurück. Ohne auf ihre diversen Ausreden einzugehen, nahm er ihren Arm und zog sie mit sich, wobei er ihr versicherte, daß der Rest seiner Familie ganz bestimmt noch schlafen würde.
Die sorgfältig gepflegte Rasenfläche vor dem Haus der Maitlands war etwa zweihundert Meter lang und fiel zum Strand hin ab. Die Terrasse des Hauses war aus Kalkstein gebaut und erstreckte sich über drei verschiedene Ebenen, die alle mit geschmackvoll und einladend arrangierten Sitz-und Liegegelegenheiten sowie schattenspendenden Sonnenschirmen bestückt waren. Zu spät entdeckte Sloan, daß an einem der Tische bereits ein Mann und ein Mädchen saßen.
Sloan mußte gar nicht erst sein Gesicht sehen, um zu wissen, daß der Mann Noah Maitland war. Sie hatte ihn nur dreimal gesehen, aber sein feingeschnittenes Profil, sein glänzendes schwarzes Haar und seine breiten Schultern hatten sich ihrem Gedächtnis tief eingegraben. Zu ihrer Verärgerung bemerkte sie sogar, daß ihr Herz bei seinem Anblick heftig zu schlagen begann.
Während Sloan sich noch den Kopf darüber zerbrach, wie sie einer Begegnung mit Noah vielleicht doch noch in letzter Minute entkommen konnte, war das Mädchen vom Tisch aufgesprungen und hüpfte nun die Treppen herunter und geradewegs auf sie zu.
»Oh, ich fürchte, Sie werden gleich meine Tochter Courtney kennenlernen«, warnte Douglas sie in scherzhaftem Ton und festigte seinen Griff um ihren Arm, als spürte er ihren
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