Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
die Spitzen der kleinen Finger fehlen oder nicht. Es ist niemandem erlaubt, einen Fuß auf die Brücke zu setzen, bevor er sich nicht ausweisen kann. «
»Dann ist die Lösung doch offensichtlich«, sagte Aléas, und alle Augen wandten sich ihm zu. Er lächelte freundlich. »Jeder von uns hackt sich die Spitze der kleinen Finger ab, wartet ein paar Monate, bis die Wunden verheilt sind, und marschiert dann unbehelligt ins Innere.«
»Halt den Mund, Aléas«, warnte Baracha ihn.
Aléas hob die Brauen und warf Nico einen raschen Blick zu. Nico erwiderte das leichtfertige Lächeln seines Freundes nicht. Er war heute sehr müde. Er hatte schlecht geschlafen und war von Alpträumen heimgesucht worden, in denen er wieder und wieder die Vorkommnisse der vergangenen Nacht durchlebt hatte.
»Wenn ihr einen Weg hinein finden wollt«, fuhr Serèse fort, »dann muss es einer sein, den sie nicht vorhergesehen haben.«
Aléas war gelangweilt. »Er kann doch nicht für den Rest seines Lebens in diesem Turm hocken. Wenn wir nicht dort hineinkommen, dann warten wir, bis er herauskommt. Vielleicht während des Augere. Vielleicht geht er dann nach draußen.«
»Und was ist, wenn er es nicht tut?«, wollte Baracha wissen. »Letzte Nacht hätten sie uns beinahe gehabt. Selbst jetzt, während wir miteinander reden, durchkämmen
sie die Stadt vermutlich nach uns. Außer dir sind wir alle Ausländer. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie uns aufgestöbert haben. Falls du es nicht bemerkt haben solltest: Das hier ist keine sehr freundliche Stadt, die für einen angenehmen Aufenthalt sorgt. «
Seine Worte brachten die Gruppe zum Schweigen. Nico warf immer wieder Blicke in den Rest des Schankraums, weil er wissen wollte, ob sie beobachtet wurden.
Dort: Ein Mann wandte sich unter Nicos Blick allzu schnell zur Seite. Nico beobachtete ihn noch einige Zeit und wartete, was er als Nächstes tun mochte. Der Mann bestellte sich noch etwas zu trinken und setzte das Gespräch mit seinen Gefährten fort.
Nico atmete ein und aus und versuchte sich zu entspannen. Vermutlich hatte der Knabe bloß Serèse angestarrt, sonst nichts. Ich sehe Gespenster , sagte er zu sich selbst. Diese üble Stadt geht mir auf die Nerven. Ich wünschte, wir könnten jetzt gleich von hier abreisen und nie wieder zurückkehren .
Baracha lehnte sich zurück und stieß laut die Luft aus, um sein Missfallen auszudrücken. »Wir sollten das als Kompliment auffassen«, tröstete er sich und die anderen. » Sie zeigen uns gegenüber großen Respekt.« Aber das war keine Antwort auf ihre Probleme, und Baracha war eindeutig besorgt, als er sich mit der Hand durch den langen Bart fuhr.
Während des gesamten Gesprächs hatte Asch still dabeigesessen und verloren auf sein Glas und die Hand seines verwundeten Arms geschaut, die in seinem Schoß lag. Als sich das Schweigen in die Länge zog, hob er sein
Weinglas mit dem gesunden Arm, nahm einen Schluck und stellte es wieder ab.
»Wir alle vergessen das Offensichtliche«, sagte er unerwartet und ohne den Blick zu heben.
Baracha verschränkte die Arme vor der Brust und seufzte. »Und was ist das, weiser Mann?«
» Sie erwarten Heimlichkeit, aber keinen offenen Angriff. «
Aléas starrte ihn mit großen Augen an. »Ihr meint, wir sollen das Tor erstürmen? «
Asch nickte, und ein schwaches Lächeln zog ihm die Mundwinkel hoch.
»Ein wunderbarer Einfall«, sagte Baracha, »allerdings brauchen wir dafür eine Armee.«
Asch sah jeden einzelnen nacheinander an. Dann nippte er noch einmal an seinem Wein und stellte den leeren Becher mit einer entschiedenen Geste zurück auf den Tisch.
»Dann, meine lieben sorgenvollen Freunde, müssen wir uns wohl eine Armee suchen.«
Draußen war es hell; die Sonne schien in einem selten klaren Himmel. Es war jedoch kein schmeichelhaftes Licht, denn es offenbarte den grauen, glanzlosen Charakter der Stadt noch deutlicher als sonst. Als es in die schluchtartigen Straßen hinabsickerte, verwandelte es sich unter Nicos Blicken zu etwas Dürrem und Gedämpftem.
»Ich will niemanden beleidigen«, sagte Aléas, »aber ich befürchte, dass Meister Asch heute Abend endgültig den Verstand verloren hat.« Er stand mit Nico und Serèse vor dem Wirtshaus, während ihre beiden Meister etwas außer Hörweite besprachen.
»Ich vermute, er hat ihn schon seit einiger Zeit nicht mehr«, erwiderte Nico trocken. »Glaubst du wirklich, dass sie das durchziehen werden? «
Aléas dachte über diese Frage nach,
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