Faszination Menschenfresser
riesige Falle zu locken. Zunächst versuchte man es mit einer lebenden Ziege, dann mittels mit Ochsenblut beschmierter Hühnchen, und als das alles nichts half, musste sogar der ungeliebte Hund des ortsansässigen Medizinmanns als Krokodillockmittel herhalten. Der Erfolg war gleich null. Zwar zeigten die nächtlichen Aufnahmen einer in der Nähe installierten Videokamera immer wieder die leuchtenden Augen eines riesigen Krokodils, die Falle selbst war jedoch am Morgen leer. Offenbar hatte Gustave die Situation mehrfach begutachtet, für zu riskant befunden und dann das Weite gesucht. Statt Hühnern und Hunden schnappte sich Gustave lieber ein paar Kilometer nördlich einen Fischer. Schließlich versank die tonnenschwere Falle im weichen Uferschlick des Ruzizi-Flusses. Das war dann das vorläufige Ende aller Fangversuche. Der Plan, Gustave als Touristenattraktion in einem noch zu bauenden Zoo zu halten, bzw. ihn als »Zuchtbullen« einzusetzen, um den etwas auf den Hund gekommenen Genpool der zentralafrikanischen Krokodile wieder auf Vordermann zu bringen, musste ad acta gelegt werden. Den Rangern im Nationalpark war schon vorher klar gewesen, dass man die gewaltige Panzerechse so nicht fangen kann. »Dazu ist Gustave einfach zu clever«, sagen sie.
Bei den vergeblichen Versuchen, Gustave zu fangen, entstand auch ein Dokumentarfilm, der 2004 unter dem nicht ganz der Wahrheit entsprechenden Titel Capturing the Killer Croc im Fernsehen gezeigt wurde. Wenigstens waren im Film aber einige ganz ausgezeichnete Aufnahmen von Gustave zu sehen, sodass jetzt zumindest die Existenz des riesigen Krokodils nicht mehr bezweifelt werden konnte. Nach dem missglückten Fangversuch wurde Gustave über einen längeren Zeitraum zunächst nicht mehr gesehen, und bald machten Gerüchte die Runde, dass das Mörderkrokodil von Rebellen aus der benachbarten Demokratischen Republik Kongo erschossen und verspeist worden sei. Welche Ironie: Ein tierischer Menschenfresser als Opfer einer menschlichen Fressattacke! Aber Fehlanzeige: Ein Jahr später tauchte Gustave wieder bei bester Gesundheit quicklebendig im Ruzizi-Delta auf – und ging wieder seiner gewohnten Tätigkeit nach: Menschen verspeisen.
Den medialen Ritterschlag verpasste der riesigen Panzerechse im Jahr 2007 die Traumfabrik aus Hollywood. Gustave diente nämlich nicht nur als Vorbild, sondern auch als Namenspate für den tierischen, wenn auch lediglich gut animierten Hauptdarsteller des Horrorfilms Primeval , der in Deutschland unter dem Titel Die Fährte des Grauens die Kinokassen klingeln ließ. Im Film muss ein Journalistenteam in Burundi zwischen Bürgerkrieg und Mörderreptil ums nackte Überleben kämpfen. Der am Computer generierte Gustave zeigt sich übrigens deutlich wilder als sein echtes Vorbild. Es gab nichts, was die Filmechse nicht attackierte, und das schloss sowohl Boote als auch Jeeps ein. Und wie im richtigen Leben kommt Gustave auch im Horrorschocker am Ende mit dem Leben davon. Eine Art von Happy End, das fortsetzungstechnisch natürlich alle Möglichkeiten offenlässt. Heute, im Jahr2012 , wird Gustave immer noch ab und an im Ruzizi-Fluss gesichtet. Menschen sind dem größten Krokodil Afrikas jedoch in letzter Zeit keine mehr zum Opfer gefallen. Die Menschen in den Dörfern am Ruzizi glauben auch den Grund für diese Tatsache zu kennen : »Offensichtlich ist der frühere Menschenfresser im Alter milde geworden.«
Gustave ist übrigens nicht allein. Nilkrokodile sind, zumindest wenn man nach der Zahl der Opfer geht, wohl die gefährlichste aller Krokodilarten. Rund 300 bis 400 Menschen werden nach Schätzungen von Experten von den Krokodilen, die im zentralen und südlichen Afrika zu Hause sind, jährlich getötet. Allein in Simbabwe kamen nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press zwischen Januar und Oktober 2005 13 Menschen durch Nilkrokodile ums Leben. Experten gehen übrigens davon aus, dass früher, als Nilkrokodile wegen ihrer Haut noch nicht so stark bejagt wurden und in ganz Afrika sehr häufig vorkamen, noch deutlich mehr Menschen den gepanzerten Echsen zum Opfer fielen. Kein Wunder also, dass ein so gefährliches und mächtiges Tier wie das Nilkrokodil in der Kulturgeschichte vieler Völker eine große Rolle spielt, die vor allem von Angst, Ehrfurcht und Bewunderung geprägt ist. Im alten Ägypten wurden Krokodile sogar als heilige Tiere vergöttert und in der Gestalt des krokodilköpfigen Gottes Sobek verehrt. Sobek galt als Gott
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