Faszination Menschenfresser
Roosevelt zu verdanken. Als der ehemalige US -Präsident 1913 dem brasilianischen Amazonasgebiet einen Besuch abstattete, entschlossen sich die Brasilianer, dem für seine Abenteuerlust bekannten Roosevelt ein Schauspiel der besonderen Art zu bieten. Zunächst einmal gewährte man dem hohen Gast die zweifelhafte Ehre, einen neuen Fluss zu »entdecken« – einen Fluss, bei dem es sich in Wirklichkeit um einen unbedeutenden, aber durchaus bekannten Seitenarm des Rio Aripuanã handelte, der später dann Roosevelt zu Ehren »Rio Theodore Roosevelt« getauft wurde. Auf Anordnung der Behörden wurde zunächst ein Abschnitt des Rio Theodore Roosevelt mithilfe von Netzen abgetrennt und danach mit unzähligen, von lokalen Fischern vorher über Wochen hinweg gefangenen, hungrigen Piranhas bestückt. Auf seine Nachfrage warnten die Brasilianer den als äußerst neugierig bekannten Ex-Präsidenten und seine Begleiter eindrücklich davor, diesen Flussabschnitt zu betreten, weil sie ansonsten von den Piranhas bei lebendigem Leibe verzehrt werden würden. Wie von den Brasilianern beabsichtigt, war Roosevelt jedoch reichlich skeptisch und äußerte starke Zweifel daran, dass so kleine Fische einen kompletten Menschen fressen könnten. Aber die Brasilianer präsentierten Roosevelt sofort einen »Beweis« für den vermeintlichen Blutdurst der angeblichen Mörderfische: Sie trieben eine verletzte, blutende Kuh in den fraglichen Gewässerabschnitt, die dann natürlich unverzüglich von den zahlreichen, hungrigen und in Panik geratenen Piranhas angegriffen wurde. Das arme Tier wurde zunächst in die Beine gebissen, fiel dann um und wurde schließlich von den kleinen außer Rand und Band geratenen Raubfischen vollkommen skelettiert. Roosevelt war davon so entsetzt, dass er in seinem 1914 erschienenen Reisebericht Durch die Wildnis Brasiliens am Piranha kein gutes Haar oder besser gesagt keine gute Schuppe ließ:»Sie sind die wildesten Fische der Welt. Sogar die furchterregendsten Fische wie Haie oder Barrakudas greifen gewöhnlich nur Lebewesen an, die kleiner als sie selbst sind. Die Piranhas jedoch attackieren gewohnheitsmäßig Lebewesen, die viel größer als sie selbst sind. Sie beißen jeder Hand, die unvorsichtigerweise ins Wasser gesteckt wird, die Finger ab, sie verstümmeln schwimmende Menschen – in jeder an einem Fluss gelegenen Stadt in Paraguay gibt es Menschen, die von ihnen verstümmelt wurden, sie zerfleischen und verschlingen jeden verwundeten Menschen und jedes verwundete Tier, da Blut im Wasser sie zur Ekstase treibt.
Wenn Vieh ins Wasser getrieben wird, oder dieses aus eigenem Antrieb das feuchte Nass betritt, wird es normalerweise nicht belästigt, aber wehe, ein besonders großes oder wildes Exemplar dieser furchterregenden Fische beißt ein Tier, zum Beispiel beißt einen Teil des Ohres oder vielleicht eine Zitze des Euters einer Kuh ab – , dann lockt das Blut jedes einzelne Mitglied des gefräßigen Schwarms an, und das angegriffene Tier wird bei lebendigem Leib gefressen, außer es kann blitzschnell aus dem Wasser fliehen … «
Selbst noch 1971 schreibt der Wissenschaftsautor Philip Street in seinem Buch Die Waffen der Tiere : »Der Menschenhai und der Barrakuda sind furchterregende Geschöpfe, aber an rasender Wildheit und Gefährlichkeit für den Menschen kommt nichts, was im Meer schwimmt, einem kleinen, in den Flüssen Südamerikas lebenden Fisch gleich. Das ist der Piranha. Er steht mit Recht im Ruf eines Menschenfressers, obgleich seine Länge selten 17,5 cm übersteigt und 25 cm bilden einen Rekord. Der Tod durch den Hai oder den Barrakuda ist meist rasch und, verglichen mit dem durch den Piranha, geradezu gnädig zunennen. Jeder Mensch und jedes Tier, denen das Unglück widerfährt, an einer von diesem blutdürstigen Fisch heimgesuchten Stelle in den Fluss zu fallen, wird buchstäblich bei lebendigem Leibe aufgefressen, Hunderte erscheinen aus dem Nichts, und das Fleisch des Opfers wird in Zehntausenden kleiner Bisse abgefressen, bis nichts übrig bleibt als das nackte Skelett … Gewöhnlich ist der Piranha ein geruhsamer Fisch, doch das Erscheinen des Opfers scheint ihn in eine Art von Raserei zu versetzen, und es ist nicht der Hunger allein, der ihn treibt. Lange nachdem sie sich sattgefressen haben, fahren sie mit ihren wütenden Angriffen fort, bis auch nicht das geringste bisschen Fleisch mehr übrig ist; die Abfälle häufen sich am Boden des Flusses, bis die Strömung sie
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