Fatal - Roman
permanent mit seinen Fragen löcherte.
»Doch, schon. Ich habe ihnen gesagt, dass sie krank war und dass sie uns ihre Krankheit verheimlicht hat.«
Ellen behielt ihre Meinung für sich. Sie sagte Will immer die Wahrheit, das war ihr Grundsatz. Sie fühlte sich sogar unbehaglich, wenn sie ihm vom Weihnachtsmann erzählte, auch wenn sie wusste, dass Kinder solche Geschichten brauchen.
»Kann sein, dass es falsch war. Aber hätte ich ihnen sagen sollen: Jungs, eure Mama hat sich heute eine Pistole in den Mund gesteckt?«
Plötzlich hatte Ellen den Wunsch zu gehen. Muskos Äußerung klang kalt. In der Garage hatte er ihr besser gefallen.
»Ich wollte Ihnen keinen Schreck einjagen«, sagte er lachend. Aber es klang bitter. »Alle wollten wissen, wie sie es gemacht hat. Hat sie sich erschossen, den Kopf in den Gasherd gesteckt, Tabletten geschluckt? Die Polizisten haben mich darüber aufgeklärt, dass Frauen sich normalerweise nicht erschießen. Ich habe ihnen gesagt, dass diese Frau Anwältin gewesen ist.«
Ellen fing sich wieder. »Es war bestimmt schwer für Sie.«
»Das war es, verdammt noch mal. Man sagt, wer sich umbringt, denkt nur sich. Und das stimmt auch irgendwie.« Er deutete wieder auf die Tür. »Ich habe drei Kinder, die jeden Abend für sie beten. Was ist das für eine Mutter, die ihre Kinder im Stich lässt? Sie waren Babys damals, Rory war gerade mal zwei Jahre alt.«
»Was genau einen Menschen zu so einer Handlung treibt, ist schwer zu sagen.« Ellen wollte die Situation entspannen, ihr war aber nur ein nichtssagender Gemeinplatz eingefallen.
»Aber ich weiß, warum sie es getan hat. Ich hatte sie beim Fremdgehen erwischt.«
»Nein.« Ellen war schockiert.
»Der Typ rief eines Abends bei uns an. Ich habe sogar mit ihm geredet. Sie ging danach weg und kam erst nach Mitternacht wieder. Sie hat behauptet, sie wäre im Fitnessstudio gewesen. Aber genau an diesem Abend hatte es in dem Studio gebrannt.« Musko schnaubte. »Sie hatte die nichtöffentliche Turnstunde ihres Lovers besucht.«
Ellen gefiel es nicht, wie er verächtlich die Lippen schürzte. Sie stand auf, aber Musko redete weiter.
»Ich habe sie zur Rede gestellt, und sie hat alles zugegeben.
Es blieb ihr nichts anderes übrig, weil ich Bescheid wusste. Sie hatte sich in letzter Zeit seltsam verhalten, war oft launisch gewesen. Egal - sie versprach mir, die Affäre zu beenden. Ich wollte aber die Scheidung und das Sorgerecht für die Kinder. Am nächsten Morgen war sie tot.« Er beugte sich nach vorn und rieb sich die Augen. »Ich bin danach in der Therapie gewesen. Aber nicht sehr lange. Vielleicht sollte ich wieder hingehen.«
»Es wird Ihnen helfen.«
»Das sagen alle.« Musko sah sie an und stand langsam auf. »Sie haben also Ihre Papiere gefunden?«
»Sie sind alle in dem Karton. Aber ich konnte ihn noch nicht ganz durchsehen.«
»Nehmen Sie ihn doch mit. Nehmen Sie von mir aus alle drei mit. Packen Sie sie ein!«
»Und wenn etwas drin ist, was Sie brauchen?«
Musko winkte ab. »Ich brauche nichts aus diesen Kartons. Ich sollte auch die aus der Garage endlich loswerden. Ich sollte das ganze verdammte Zeug endlich verbrennen.«
Ellen verstand, warum die Ordner immer noch in der Garage waren. Es ging Musko nicht um die Einlagerungsgebühren. Er wollte sie bei sich haben, um sie verbrennen zu können.
»Vielen Dank«, sagte sie. »Was nicht mir gehört, schicke ich Ihnen zurück.«
Sie schloss den Deckel des letzten Kartons. Zu Hause wollte sie sich Klarheit darüber verschaffen, was er enthielt.
23
Die Nacht war schwarz und sternenlos. Ellen hatte zum Glück noch einen Rest Rotwein in der Küche entdeckt. Das Glas Merlot stand jetzt neben dem dritten Karton auf dem Esszimmertisch. Am anderen Ende des Tisches hatte sich Oreo Figaro auf seinem Stammplatz niedergelassen. Misstrauisch beobachtete er Ellens Treiben.
Sie sortierte Rechnungen und Notizblöcke aus und brachte die Papiere, die in ihren Ordner gehört hätten, wieder in chronologische Reihenfolge. Da war die E-Mail-Korrespondenz zwischen Karen und den Beamten, die sich Ellens Haus angesehen und sie befragt hatten. Sie schob Stifte und eine halb volle Schachtel mit Kaugummis beiseite und entdeckte einen Brief an Karen, geschrieben auf dünnem Papier und mit großen runden Buchstaben. Sie las ihn:
Amy Martin
393 Corinth Lane
Stoatesville, PA
Liebe Karen,
hier die Papiere, die ich für Dich unterschreiben lassen sollte. Der Vater des Kindes verspricht, auf
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