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Fatal - Roman

Titel: Fatal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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alle seine Rechte zu verzichten. Bitte, bitte, sorge dafür, dass die Frau, die den Jungen adoptieren will, sich gut um ihn kümmert. Er ist ein guter Junge. Er kann nichts dafür, dass er krank und ein bisschen schwierig im Umgang ist. Ich liebe ihn, aber ich weiß, dass es so das Beste für
ihn ist. Ich werde ihn nie vergessen und immer für ihn beten.
    Mit herzlichen Grüßen,
    Amy
    Ellens Herz begann zu rasen. Sie las den Brief noch einmal. Sie zitterte vor Aufregung. Der Brief, den sie in der Hand hielt, war von Wills leiblicher Mutter geschrieben worden. Amy Martin hieß sie also. Ein schöner Name. Selbst in diesen wenigen Zeilen konnte man den Schmerz spüren, den ihr die Freigabe Wills bereitet hatte. Am liebsten wäre Ellen zum Telefon gegangen und hätte sie angerufen. Stattdessen erhob sie ihr Glas.
    Danke, Amy, dass du mir dein Kind geschenkt hast.
    Oreo Figaro sah zu ihr herüber und blinzelte sie an. Sie kramte weiter in dem Karton. Immer mehr Gerichtspapiere tauchten auf, darunter Amys Einwilligung zur Adoption. In dem Dokument stand ihr Geburtsdatum, der 7. Juli 1983. Sie war ledig. »Hiermit gebe ich das oben genannte Kind freiwillig und ohne Vorbehalt zur Adoption frei«, war da zu lesen, darunter Amy Martins Unterschrift. Das Dokument war von den Zeugen Gerry Martin und Cheryl Martin, wohnhaft an derselben Adresse, unterschrieben worden.
    Das nächste Dokument enthielt die Einwilligung des leiblichen Vaters. Ellen las seinen Namen und seine Adresse. Es schnürte ihr die Kehle zu.
    Charles Cartmell
    71 Grant Avenue
    Philadelphia, Pennsylvania
    Sie sah sich seine Unterschrift genau an, ein kaum lesbares,
ungelenkes Gekritzel. Charles Cartmell war also Wills Vater. Sie fragte sich, was für ein Mensch er war. Wie sah er aus? Womit verdiente er seinen Lebensunterhalt? Wie hatten er und Amy sich kennengelernt? Und warum hatten sie nicht geheiratet?
    Sie durchsuchte den Karton weiter, fand aber nur Wills Krankenbericht, den sie schon kannte. In dieser Ausfertigung wurde noch erwähnt, dass beide leiblichen Elternteile unter Bluthochdruck litten, jedoch keine Herzprobleme hatten. Das stimmte mit dem überein, was man ihr damals im Krankenhaus gesagt hatte. Man hatte vermutet, dass Wills Herzschaden nicht erblich war. Wills leibliche Eltern hätten sich mit ihrer E-Mail-Adresse registrieren lassen können, was sie aber nicht getan hatten.
    »Gut, das wäre also geklärt«, sagte Ellen mit lauter Stimme. Oreo Figaro zuckte zusammen. Ihr Blick fiel auf die Papiere auf dem Tisch, ihre Gedanken kreisten um Karen. Sie erinnerte sich an den zwölften Juni. Karen hatte sie angerufen und ihr zu Wills Adoption gratuliert. Nie hätte sie sich vorstellen können, dass sie sich einen Monat später umbringen würde. Ellen schauderte bei dem Gedanken. Wie hatte sie als Mutter von drei Kindern so etwas tun können? Musko hatte recht gehabt.
    Hatte sie ihren Mutterinstinkt verloren?
    Darüber wollte Ellen jetzt nicht nachdenken. Es war spät, und sie musste schlafen. Sie hatte für heute genug getan - allerdings nicht für ihren Artikel. Normalerweise hätte sie nach dem Interview mit Laticia Williams einen ersten Entwurf geschrieben, aber heute war alles zu viel für sie gewesen. Sie trank einen Schluck Wein. Als sie das Glas abstellte, fiel ihr Blick auf Karens rosafarbenen ledernen
Zeitplaner, der mitten in dem Durcheinander auf dem Tisch lag.
    Sie nahm ihn heraus und öffnete ihn vorsichtig. Es war ein normaler Terminkalender, die Woche war auf zwei Seiten verteilt; auf jeder Seite hatte Karen mit ihrer akkuraten Handschrift die Termine mit ihren Mandanten eingetragen. Vor Ellen lag das Leben einer Frau, in Einzelstunden aufgeteilt. Dass diese Frau zwischen einer Stunde und einer anderen daran gedacht hatte, ihr Leben wegzuwerfen, verriet der Kalender allerdings nicht.
    Sie blätterte zurück, bis sie zu der Woche mit dem dreizehnten Juli kam, dem Tag ihres Selbstmords. Die Woche begann mit Montag, dem zehnten Juli, die Termine dieses Tages waren penibel aufgelistet. Am elften Juli hatte Karen am Morgen ein Treffen mit einem Mandanten gehabt, mittags traf sie sich zum Essen mit einer Frauengruppe.
    Für ihren Todestag waren eine Menge Besprechungen eingetragen. Karen hatte nicht ahnen können, dass ihr Mann am Vorabend von ihrer Affäre erfahren würde. Ellen wollte den Terminplaner gerade schließen, als sie bemerkte, dass für Mittwoch, den zwölften Juli, eine Verabredung eingetragen war, bei der der Name

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