Fatal - Roman
Kleider zusammen. Sie streifte sich den Pullover über und zog Rock und Stiefel an. Marcelo schlief. Er schnarchte leise und regelmäßig. Sie wollte ihn nicht wecken. Mantel, Handtasche und Wagenschlüssel hatte sie bald gefunden. Sie durfte keine Zeit mehr verlieren. Irgendetwas sagte ihr, dass sie so schnell wie möglich nach Hause musste.
Am besten sofort.
71
Draußen erwartete sie ein Schneesturm. Ein schneidender Wind trieb die Flocken gegen ihre Wangen, als sie den Gehweg hinunterhetzte. Beinahe wäre sie auf der frischen Schneedecke ausgerutscht.
Sie sprang in den Wagen und schaltete die Scheibenwischer ein. Die Windschutzscheibe war mit einer dünnen Eisschicht überzogen, aber sie wollte nicht warten, bis sie geschmolzen war. Sie schaltete den Enteiser ein und fuhr los. Von ihrem Handy aus rief sie zu Hause an. Der Wagen raste die dunkle Straße hinunter, als Connie abhob.
»Connie? Du bist noch da?«, fragte Ellen und versuchte, nicht nervös zu klingen. Warum war sie überhaupt nervös? Sie wollte doch nur schnell nach Hause.
»Natürlich. Ich schaue fern. Du hast gesagt, dass es spät wird.«
»Aber nicht so spät.« Wieder einmal stiegen Schuldgefühle in ihr auf, doch sie musste sich auf den Verkehr konzentrieren. Sie wechselte die Spur, um einem Lkw auszuweichen. Wegen des Schneesturms fuhren alle langsam und vorsichtig. Ellens Scheibenwischer führten einen verzweifelten Kampf gegen die Schneemassen, was sie ein wenig an ihre eigene Situation erinnerte.
»El, lass dir Zeit. Chuck hat Spätschicht.«
»Wie geht es meinem Jungen?«
»Er schläft wie ein Murmeltier.«
»Sehr gut.« Normalerweise war sie erleichtert, wenn man ihr sagte, dass zu Hause alles in Ordnung war. Aber
heute Abend wollte sich dieses Gefühl nicht einstellen. Sie überholte einen Toyota, der vor sich hin kroch, und bog in die nächste Querstraße ein.
»Übrigens, die Katze hat sich übergeben. Ich musste sie vor die Tür setzen.«
»Okay. Ich bin in weniger als einer Stunde bei dir.«
»Fahr vorsichtig. Es schneit wie verrückt. Hier liegt der Schnee schon zwanzig Zentimeter hoch.«
»Ich versuch’s. Bis gleich.« Ellen legte das Handy beiseite und umkurvte einen einparkenden Kleintransporter. Sie gab Gas und brauste über eine Straßenkreuzung, als die Ampel schon auf Rot schaltete.
Als sie endlich auf dem Highway war, wusste sie genau, was Amys früherer Freund als Nächstes tun würde.
72
Als sie zu Hause ankam, schien der Schneesturm seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Sie stampfte durch den gefrierenden Schnee und zog den Kopf ein, um sich vor dem Wind zu schützen. Kurz hatte sie daran gedacht, die Polizei zu verständigen, aber dann hätte sie den Beamten alles erzählen müssen. Nein, sie musste das Ganze allein durchstehen.
Sie eilte die verschneiten Verandastufen hoch und befahl sich, Ruhe zu bewahren. Connie durfte ihr nichts anmerken. Sie steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. Connie saß entspannt auf dem Sofa, was Ellen keineswegs beruhigte.
»Nanook, der Eskimo, kommt uns besuchen!«, rief Connie ihr zu und grinste.
»Draußen ist es verdammt kalt.« Ellen zog ihren Mantel aus und bemühte sich zu lächeln. Die Lampen tauchten ihr Wohnzimmer in ein heimeliges Licht. Wills Spielsachen waren weggeräumt. Im Fernseher lief ohne Ton eine Sendung über plastische Chirurgie. Sie holte sofort Connies Mantel aus dem Schrank und gab ihn ihr. Sie konnte kaum verbergen, wie eilig sie es hatte. »Komm gut nach Hause. Du hast doch Allradantrieb?«
»Klar, alles easy.« Connie zog ihren Parka an und holte Einkaufs- und Handtasche vom Fensterregal. »Morgen wird es mit dem Kindergarten nichts werden.«
»Das trifft sich gut, ich habe morgen frei.« Ellen öffnete Connie die Tür. »Wir werden ein paar Kekse backen und uns vor dem Winter verschanzen.«
»Ich bin für Schokoladenkekse.«
»Gute Idee. Und fahr vorsichtig.«
Nun geh doch endlich.
»Keine Angst. Unkraut vergeht nicht.« Connie lächelte ihr ein letztes Mal zu und ging nach draußen. Ellen sperrte die Tür ab und schob den Riegel vor.
Schnell! Schnell! Schnell!
Wenn Rob Moore jeden tötete, der Wills wahre Identität kannte, dann mussten sie und ihr Kind heute Abend noch von hier verschwinden. Sie rannte die Treppe hoch in Wills Schlafzimmer.
»Will, mein Schatz, wach auf.« Will schlief mit angewinkelten Armen auf dem Rücken. Er regte sich ein wenig. Oreo Figaro saß unbeweglich am Fußende des Bettes. Sie hob Will
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