Fauler Zauber
für besondere Gelegenheiten bereithalten. Ich setzte mich in Streichelweite vor sie und nahm erst mal einen Schluck aus meinem Humpen. Die erste Hälfte lief runter wie geschmiert.
»Kannst du jetzt drüber reden?«, fragte ich, als ich annahm, sie könnte vielleicht soweit sein.
Sie kippte einen ordentlichen Schluck Brandy, bevor sie nickte. »Ich hab's im Griff. Es waren nur … die Umstände, denke ich. Domina und mein Vater hatten einen lauten Streit, vor dem alle stiften gegangen sind. Dann die Nachrichten über Karl. Als ich es endlich schaffte, mich rauszuschleichen und zu dir zu kommen, hat Courter mich weiter oben auf der Straße erwischt. Als ich nicht nach Hause zurück wollte, hat er mich angesehen, als wollte er mich umbringen. Ich bin irgendwie ausgenippt und schreiend weggerannt. Wenn schon die ganze Welt verrückt spielt, dann habe ich doch auch das Recht auf einen kleinen Ausfall, oder?«
Die Worte sprudelten nur so aus ihr hervor, und sie stotterte bei dem Versuch, sie alle gleichzeitig statt nacheinander von sich zu geben.
»Langsam! Halt! Stop! Sei ein gutes Mädchen. Hol zwischendurch mal Luft. Einatmen – Luft anhalten. Langsam bis zehn zählen. Gut. Jetzt erzähl mir, was passiert ist. Und fang von vorn an, damit es Sinn macht.«
Dean nahm meinen Humpen, um die Luft rauszulassen, und unterbrach mich. »Entschuldigen Sie, Mr. Garrett, der wichtigste Punkt scheint untergegangen zu sein. Ihr Bruder ist tot.«
Ich starrte Amber an. Sie erschauerte und nickte. Sie mußte mittlerweile schon bei zwanzig angekommen sein. »Wie?«
»Angeblich Selbstmord.«
Das erwischte mich kalt. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Bevor ich nachdenken konnte, schuf mein stets gegenwärtiger Hausgast einen Präzedenzfall und wuchtete seinen Geist über die Grenzen seines Territoriums hinaus.
Garrett. Bring sie her.
Auch Dean bekam es mit. Er sah mich abwartend an. »Wir werden tun, was er sagt, denke ich. Amber, komm bitte mit. Mein Partner möchte, daß wir es bei ihm besprechen.«
»Muß das sein?«
»Denk an zweihunderttausend Goldtaler.«
»Ich weiß nicht, ob ich daran denken … Ach, natürlich will ich. Ich bin jetzt mehr denn je entschlossen, dieses Haus zu verlassen. Ich werde mich dort nie wieder sicher fühlen.«
»Dann los. Mach dir keine Sorgen seinetwegen. Er ist harmlos zu denen, die ihm nichts tun wollen.«
Nur leider hatte ich das Ding vergessen.
24. Kapitel
Amber stieß einen Schrei aus, der eine Mischung aus Schmerz und Horror war. Ich dachte schon, sie würde aus den Latschen kippen. Aber sie war härter, als ich gedacht hatte. Sie stützte sich nur ein bißchen auf meinen Arm, während sie Amiranda anstarrte. Dann riß sie sich zusammen, trat zurück und sah mich an. »Was geht hier vor, Garrett?«
»Das da habe ich statt des Goldes gefunden.«
Sie trat näher an den Leichnam heran.
Hol Mr. Slauce, Garrett. Es ist vielleicht hilfreich, ihn demselben Schock auszusetzen.
»Und der andere?«
Entsorge ihn, sobald wir hier fertig sind. Er sollte eigentlich seine Lektion gelernt haben.
»Hilfst du mir, Dean?« Ich hätte Slauce sicher auch allein reinschaffen können. Zur Not konnte ich ihn ja umkippen und rollen. Aber warum sollte ich mich anstrengen?
Wir zogen ihn rein und setzten ihn wie befohlen vor Amiranda. Amber schien sich wieder im Griff zu haben. »Da hast du 'ne Menge zu erklären«, sagte sie.
»Ich erzähl dir meine Geschichte, wenn du mir deine verrätst.«
In diesem Moment löste der Tote Mann seine Kontrolle über Courter Slauce.
Ich baute mich vor der Tür auf, um sicher zu stellen, daß er nicht hindurch wischte, bevor wir mit ihm fertig waren. Er zitterte am ganzen Körper und wirkte alles andere als mutig, als er sich umsah. Aber er sagte kein Wort, was mich enttäuschte. Ich hatte erwartet, daß er aufbrauste und die Sturmwächterin zu Hilfe riefe.
»Ich hätte gern ein paar Dinge gewußt«, begann ich. »Miss daPena hat bestimmt auch einige Fragen auf Lager.
Vielleicht möchte sogar Miss Crest erfahren, warum sie umgebracht wurde.«
Sein Blick schoß herüber zu der Leiche. »Davon weiß ich nichts. Woher kommt … das? Ich dachte, sie wäre durchgebrannt. Domina steht mir seit Tagen auf den Füßen, weil Amiranda es geschafft hat, mit ihrem ganzen Zeug unbemerkt das Haus zu verlassen. Daß ich am anderen Ende der Stadt war und einer Freundin des Baronets einen Brief überbrachte, als das geschah, hat niemanden weiter interessiert.
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