Faunblut
erfährst.«
Jakub wurde nicht zornig, er war nicht entsetzt und viel weniger überrascht, als sie angenommen hatte. »Die Lady legt es auf den offenen Kampf an«, schloss sie nach einer ganzen Weile. »Die Rebellen werden sich in einem sinnlosen Krieg aufreiben. Ich habe also nicht viel Zeit.«
Jakubs Miene war düsterer denn je. Seine Augen glommen wie im Fieber. »Du willst wirklich in den Palast?«
»Manchmal hat man nur eine Wahl«, erwiderte sie mit harter Stimme. »Und ich habe meine Wahl getroffen. Ich kann die Lady nicht besiegen, nein, aber ich kann den Echos eine Chance geben. Ich werde in den Palast kommen, irgendwie, mithilfe einer Jägerin vielleicht. Und ich muss Arif und Martyn überzeugen, mir zu helfen. Wenn ich den Prinzen nicht zum Fluss bringen kann, muss die Wila eben zu ihm in den Palast kommen. Kristallblut, so nennst du es doch?«
Jakub ließ sich nicht mitreißen. Er stand auf und wandte ihr den Rücken zu, als müsse er ganz allein für sich nachdenken.
»Und wenn du den Prinzen gefunden hast? Wenn er die Echos ruft? Was dann, Jade? Vielleicht werden sie sich tatsächlich mit den Menschen verbünden, aber was ist mit dir? Du bist ein Halbblut, sie werden dich töten.«
»Wer sagt das?«, brauste Jade auf. »Sie haben mich längst gefunden! Sie hätten genug Gelegenheiten gehabt, mich zu töten, aber stattdessen nannten sie mich Sinahe. Die Könige mögen grausam und launisch gewesen sein, aber Tishma war es nicht! Dinge können sich ändern und wir müssen sie ändern! Sonst stirbt Lilinn in spätestens drei Tagen – und Elanor und viele andere mit ihr.«
Jakub antwortete nicht.
»Was ist?«, rief Jade. »Willst du mir nicht helfen oder bist du zu feige? Ich weiß, was ich zu tun habe, und ich werde es auch ohne dich durchführen. Aber ich brauche die Karten, Jakub, und du musst mir alles erzählen, was du über die Echos weißt.«
»Was für ein Dilemma«, murmelte er. »Zwei Wege, zwei Abgründe. Die Leute der Lady töten mich, wenn sie erfahren, dass du Echoblut hast. Doch wenn die Echos siegen, werden sie sich für meinen Verrat rächen.«
»Wenn die Echos nicht siegen, sterben Lilinn, Elanor und die Rebellen«, erwiderte Jade unbarmherzig. »Du hast schon Tishma verloren, jetzt liegt es an dir, ob die Angst um dein eigenes Leben schwerer wiegt als die Liebe zu Lilinn.«
Es schnitt ihr ins Herz, Jakub so zu bedrängen, aber als ihr Vater sich langsam zu ihr umdrehte, erkannte sie, dass der Mann, von dem sie so viele Jahre gedacht hatte, ihn beschützen zu müssen, stark war. Seine Augen funkelten und zeigten einen Ausdruck, den sie noch nie gesehen hatte.
»Du hältst mich also für einen Feigling«, knurrte er. »Aber wir werden ganz sicher nicht wie Feiglinge durch eine Seitentür in den Palast schleichen.« Er lächelte grimmig, und Jade liebte ihn so sehr, dass es schmerzte. »Wir gehen auf dem direkten Weg durch das Goldene Tor. Die Lady lässt ihren Verräter sicher gerne vor, wenn er ihr Neuigkeiten bringt. Und vorher wirst du die Flussleute davon überzeugen, die Pumpen wieder in Gang zu bringen, ich zeichne euch den Aquäduktplan und die Kanäle auf – dann müssen wir nur noch beten, dass zumindest ein Teil der Rohre unversehrt ist.«
»Danke!«, sagte Jade aus vollem Herzen.
Jakub schüttelte den Kopf. »Danke mir nicht zu früh, Jade. Ich warne dich: Die Echos sind nicht nur die Guten. Sie sind ein kriegerisches Volk.«
Jade lachte. »Das weiß ich. Schließlich bin ich eine von ihnen.«
Die Entscheidung
Im Schutz der Dunkelheit waren Arif, Martyn und Jade mit dem kleinen Boot flussabwärts geglitten, bis zur Wassertreppe des Larimar. Die Flügeltüren zum Bankettsaal waren weit geöffnet. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, hatten sie das Boot über die Treppe in den dunklen Saal getragen und vor den Blicken von Patrouillen geschützt.
Nun saßen sie zu viert bei geschlossenen Fenstern und Läden in Jakubs Zimmer. Jakubs Zeichnungen lagen überall auf dem Boden herum, doch im Augenblick starrten die beiden Brüder nur Tishmas Bild an. Der Wein, den Martyn verschüttet hatte, glühte dunkelrot im Licht der einzigen Kerze.
Es war eine seltsame Stimmung, bedrückt und vorsichtig, als wären Jade und die Brüder sich plötzlich fremd geworden. Jade bemerkte, wie Martyn sie mit einer gewissen Scheu musterte. Seine rechte Gesichtshälfte lag im Dunkeln, über die linke flackerte der Schein der kleinen Kerze und ließ seine ausgebleichten Locken leuchten wie
Weitere Kostenlose Bücher