FebruarNachtsTraum
durch 24 Stunden bringen müsste. Für Alexander bleibt kein Riegel übrig. Dann schnappe ich mir zusätzlich zu meinem Laptop eine Wagenladung an Ausdrucken. Bestens gerüstet für den Tag!
»See you later, Alligator!«, flöte ich gut gelaunt. Alexanders Antwort höre ich nicht mehr, denn ich erscheine als letzte Teilnehmerin der Jahrestagung und ziehe die schwere Tür hinter mir zu. Perfekt. Ich bin meinen Schatten den ganzen Tag los. Denn aus Gründen der Geheimhaltung darf Alexander beim Meeting nicht anwesend sein. Er wird draußen vor der Tür warten müssen. Also so habe ich noch nie jemanden abgehängt. Roman hat Recht, ich bin Profi darin.
Routiniert stöpsle ich meinen Laptop ins Firmennetzwerk, verkable ihn mit dem Beamer und rufe für Jefe, meinen Boss mit den spanischen Genen in der dritten Generation, unseren toughen Hausanwalt Henrikson und das neutrale Wirtschaftsprüfer-Duo Langenscheidt-Kern den Jahresrückblick in Powerpoint auf.
»Ihr Aufpasser weiß, dass wir diesen Raum heute nicht mehr verlassen, Señora Schneider?«
»Ts!« Ich schüttle den Kopf und festige mein Image als kompetente Kratzbürste: »Keiner gibt ihm einen Tipp!« Ich reiße meine Augen warnend auf und fuchtle mit meinem Zeigefinger herum. »Entweder Sie lassen ihn vor der Tür schmoren oder ich denke mir etwas für Sie alle aus!« Ich bin zwar nach diesem stummen Wochenende nicht mehr sauer auf ihn, schließlich kann er ja nichts für Romans Anweisungen. Aber ich finde, etwas Strafe muss sein, denn er hätte sie ja nicht so genau ausführen müssen. Alles eine Ermessensfrage.
Als Reaktion auf meine Ansage rutschen die Herren unbequem auf ihren Stühlen, bis mein Handy summt. Ansprache beendet. Während ich mich an meinem Platz einrichte, linse ich zum Absender. ROMAN. Die ersten Worte werden angezeigt: Ich wünsche dir eine erfolgreiche Woche und ein…
Ich lese nicht weiter, sondern schalte mein Handy aus und lege es beiseite. Für Roman habe ich gerade keine Zeit. Ich muss arbeiten und er bestimmt auch. Wie schaffen es andere Paare, Arbeit- und Berufsleben in Einklang zu bringen? Ich räuspere mich. »Wie jedes Jahr …«
»Einen Moment noch, Señora Schneider!«
Erst jetzt fällt mir ein zerlesenes Exemplar des MAGAZINs auf dem Platz meines Chefs auf. Wie untypisch! Sonst liest er Wirtschafts- oder Finanzblätter. Langsam entfaltet er es. Im Lokalteil stoppt er und hält stumm das Blatt mit der Schlagzeile hoch.
UMWELTAKTIVISTIN WIRD UMWELTTERRORISTIN!
Mist! Mit einer nachträglichen IKEA-Berichterstattung habe ich nicht gerechnet. Warum habe ich nicht gleich meinen Freund Sebastian informiert, um das zu verhindern? Er ist der einzige Mensch auf Erden, den ich kenne, der so etwas hätte verhindern können. Stattdessen waren meine Gedanken bei meinem Bodyguard.
Mein Magen ist schon wieder im Vergnügungspark und fährt lustige Loopings, Schrauben und steht Kopf, dass ich aufstoßen muss. Aber das werde ich vor den Herren nicht zugeben.
»Ihr Deal letzten Monat war gut … Miss Energy … doch solche Publicity schadet der Firma. Das muss Ihnen klar sein!« Unser Firmenanwalt haut mit der flachen Hand auf den Tisch, dass unser Geschirr klappert. Der Mann ist ein Dinosaurier und ich frage mich Jahr für Jahr, seit ich bei Energy Solutions angefangen habe, ob er weitere 365 Tage überlebt. Leider ja. Und Wums hat er auch noch.
»Haben Sie mir etwas mitzuteilen?« Mit Bedacht wickle ich mein erstes Twix aus, um ruhig zu bleiben. Mir gefällt sein Tonfall nicht, doch ich werde mich mit diesem Typen nicht anlegen. Und er weiß das auch. Schnell schlüpfe ich wieder mit den Fersen in meine High Heels, die ich mir gerade abstreifen wollte.
»Allerdings.« Henrikson lächelt falsch. »Wir schätzen Ihre Arbeit nämlich sehr.«
»Ach was?« Ich kann mir einen sarkastischen Unterton nicht verkneifen. Jan sagt immer, ich soll Lob auch mal annehmen. Aber ich ahne, dass es damit gerade nicht getan ist.
»Aber …«
»Aber?« Mit zusammengekniffenen Augen mustere ich unseren Anwalt und nasche das Twix. Denk an die beruhigenden Bewegungen von Wellen am Strand, im Wind flatternde Wäsche und leise fallenden Schnee! Mach jetzt keine falsche Bewegung, Elizabeth!
»Wenn Sie Ihre Eskapaden nicht in den Griff bekommen, dann müssen wir Ihnen in Zukunft … andere Aufgaben zuteilen.« Und schon glitzert Schadenfreude in seinen Augen.
Wellen, Wäsche, Schnee. Wellen! Wäsche! Schnee! Bleib cool, Elizabeth! Du weißt, worauf er
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