FebruarNachtsTraum
hat. Ich bin zu müde, um sie alle zu lesen und tippe schnell: Sorry, Romantic Man, war viel los im Büro. Wird auch morgen wieder lang. Ruf mich nicht ständig an, ich bin kein kleines Kind, ☺Miss Energy
Konzentriert lese ich die Wörter erneut, weil sie vor meinen Augen verschwimmen. Klingt fit und beschwingt! Na dann, zufrieden drücke ich auf SENDEN. Roman mag sich vielleicht Sorgen um mich machen, vielleicht sogar mit Recht, wenn ich bedenke, was im Januar alles passiert ist, von Morddrohungen, über Entführungen bis hin zu Blitzlichtgewitter. Doch im letzten Jahr stand mein Job im Mittelpunkt und Überstunden waren ein Teil meines Lebens. Nun verläuft es endlich mal wieder so, wie ich es kenne und … Wie angewurzelt bleibe ich stehen. Ist das wirklich mein Büro? Ja, die Nummer neben dem Türrahmen stimmt. Jippieh!
»Ich bin im Schlaraffenland«, brabble ich entzückt. Auf meinem Schreibtisch steht ein kleines Abendbrot eingedeckt, mit weißen Papierservietten und Plastikbesteck. Sandwiches liegen auf einem Pappteller. Im aufgeschnittenen Obst stecken bunte Kunststoffspieße. Als Nachtisch kann ich zwischen Joghurt, Pudding oder Mousse au Chocolat wählen. Keine Ahnung, was ich von dem Anblick, halten soll. Sieht irgendwie nach schlechtem Gewissen und Friedensangebot und einfach süß aus. Auch wenn es Alexanders Job ist, sich um mich zu kümmern. Das sprengt den Rahmen bei Weitem!
Beruhigend lege ich die Hand auf meinen zustimmend knurrenden Magen. Psst! An dem zweiten sonst freien Schreibtisch im Büro halb sitzt, halb lehnt nun Alexander. Sein Laptop steht vor ihm aufgeklappt, Dokumente liegen zerstreut in einem Radius von zwei Metern um ihn herum. Die Reste von Twix-Papier stechen mir ins Auge. Ich identifiziere ein angekautes Balisto, entdecke jede Menge leere Milchschnitte-Verpackungen und einige Bäckertüten mit Sandwichresten. Im Lichtkegel der Schreibtischlampe liegt er mit dem Gesicht auf der Tischplatte.
Für eine Sekunde frage ich mich, ob Alexander vielleicht tot ist – gestorben an Twix-Riegeln, die extra für mich vergiftet wurden. Oder an zu viel Zucker? So absurd das klingt, mein turbulenter Start ins neue Jahr lässt mich neuerdings mit allem rechnen. Auf Zehenspitzen tipple ich zu ihm und halte mein Ohr über seinen Mund. Sein Atem kitzelt mich und er strahlt jede Menge Wärme ab. Eindeutig am Leben.
Nachdenklich betrachte ich ihn. Kein George Clooney-Typ wie Vlad, kein kasachstanisches Unterwäschemodell wie mein Freund Roman, sondern ein ganz normaler Mann! Durchschnitt! Wie der Fremde, der sonst neben dir auf den Bus wartet oder der vor dir an der Kasse steht und Milch und Salat gekauft hat. Jemand Unscheinbares, den man nie beachtet und der doch besonders ist.
Noch kann ich mich vom Anblick meines Aufpassers nicht lösen und habe ja auch einiges an Gegenobservation nachzuholen. Seine vollen Lippen sind leicht geöffnet und seine Wangen haben diesen zarten rosafarbenen Schimmer. Jede Lachfalte um die Augen und jede Linie auf der Stirn liegt entspannt. Seine dunklen Haare, die sonst immer akkurat gestylt sind, stehen für ihn untypisch chaotisch ab. Schnell kreuze ich meine Finger, um sie ihm nicht zu ordnen. Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen und ich spüre ein kleines Ziehen im Bauch, das kein Hunger ist. Oder vielleicht doch. Nur anders.
Denk das nicht mal, Elizabeth!
Neugierig scannen meine Augen die Unterlagen, doch ich finde keinen neuen Report an Roman. Vorsichtig tippe ich auf das Touchpad von Alexanders Rechner. Lautlos verschwindet der Bildschirmschoner und mehrere Fenster werden sichtbar. Ich rufe sein E-Mail-Programm auf. Kein Outlook, sondern eine Eigenlösung. Mehr als 20 neue Nachrichten mit meist englischen Betreffzeilen, die alle seit 23 Uhr empfangen wurden. Die Excel-Tabellen klicke ich nur kurz an. Die Zahlenkolonnen sagen mir nichts. Sein Projektmanagement-Programm begeistert mich dagegen sehr. So was will ich auch!
Neugierig lese ich die offenen Punkte und stelle erstaunt fest, dass sich alles um Bonitätsprüfungen, Finanzierungspläne und Kreditlinien dreht. Und zwar nicht für Ottonormalverbraucher. Wow! Alexander ist wirklich kein normaler Bodyguard. Sondern hat einen Job, bei dem er per Du mit diversen Vorständen, Geschäftsführern und dem Oberbürgermeister von München ist und an sie alle berichtet.
Genug spioniert! Ich bin eine miserable Agentin, denn mein schlechtes Gewissen holt mich sofort ein. Ich höre förmlich Mamas Worte: 'So
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